Lieber Leser,

wahre Freiheit ist Freiheit von Begrenzungen – äußerlich und innerlich; materiell, psychisch und spirituell. Mizrajim, das hebräische Wort für „Ägypten“, bedeutet „Grenzen“ und „Einschränkungen“. Jeziat Mizrajim („Auszug aus Ägypten“) ist das Bestreben, Grenzen zu überschreiten und sich über alles zu erheben, was die Seele des Menschen hemmt.

Einer der Faktoren, der uns Menschen am stärksten einengt, ist die Zeit. Die Zeit trägt die Vergangenheit fort und verbirgt die Zukunft. Sie begrenzt unser Leben auf einen dahinsausenden Punkt, den wir „Gegenwart“ nennen.

Aber am ersten Pessach-Abend brechen wir die Fesseln der Zeit, denn wir haben die Aufgabe, den Exodus so zu erleben, als wären wir selbst Flüchtlinge aus Ägypten.

Wir denken an den Exodus, fassen ihn mit den Texten der Haggada in Worte, verdauen ihn in Form von Mazzot und Maror. Wenn wir die Jahrhunderte an uns vorbeiziehen lassen, wird die Erinnerung – dieser vage Rest der Vergangenheit, der meist unsere einzige Antwort auf die Tyrannei der Zeit ist – zur Erfahrung, und die Geschichte wird gegenwärtig und real.

Chag sameach und Schabbat Schalom