Am siebten Pessach-Tag vollbrachte G-tt für das jüdische Volk das großartigste Wunder aller Zeiten – die Spaltung des Meeres. Der Midrasch schildert1 uns den wundersamen Zustand, welcher damals am Meer herrschte: Am Meeresboden gediehen Bäume, welche Früchte hervorbrachten, die bereits gereift waren. Über den Bäumen kreisten zwitschernde Vögel, und die jüdischen Kinder fütterten die Vögel mit den frischen Früchten, während die Vögel mit dem jüdischen Volk piepsend das „Lied am Meer“ sangen.
Der Talmud stellt folgende Regel auf: „G-tt vollbringt keine unnötigen Wunder.“2 G-tt erschuf die Naturgesetze um mit ihnen die Welt zu lenken. Ohne dringenden Grund vollbringt G-tt keine Wunder, welche die Naturgesetze außer Kraft setzen. Doch bei der Spaltung des Meeres stoßen wir auf eine Fülle von unnötigen Wundern. Wozu ließ G-tt Bäume mit gereiften Früchten gedeihen? Reichte denn die Spaltung des Meeres nicht aus um das jüdische Volk zu retten?
Vorbereitung
Aber eigentlich trifft diese Frage auf das Wunder der Meeresspaltung selbst zu. Um dem jüdischen Volk die Überquerung des Meeres zu ermöglichen, hätte G-tt das Wasser einfach verschwinden lassen können, doch G-tt spaltete das Wasser, sodass die Wassermassen wie zwei Mauern sich „zu ihrer Rechten und zu ihrer Linken“ aufstellten. Worin lag der Sinn dieses zusätzlichen Wunders?
Da G-tt keine unnötigen Wunder vollbringt, müssen wir davon ausgehen, dass all diese zusätzlichen Mirakel nicht überflüssig waren, sondern ein wesentlicher Bestandteil des Wunders am Meer an sich. Dieses diente nicht nur dazu das jüdische Volk zu befreien; es bereitete das Volk auch auf die G-ttesoffenbarung am Sinai vor, bei welcher das jüdische Volk die Thora erhielt.
Schleier
Bei der Offenbarung am Sinai veränderte G-tt die Weltordnung entscheidend. Bis dahin gab es eine absolute „Trennung“ zwischen dem G-ttlichen und dem Irdischen. Zwar befand sich die g-ttliche Heiligkeit auch davor in jedem Detail der Welt, allerdings verhüllt und verschollen, und nichts konnte sie aufdecken. Das G-ttliche war vom Irdischen wie abgetrennt. Beim Erhalt der Thora jedoch wurde dem jüdischen Volk die Kraft gegeben die verborgene, g-ttliche Heiligkeit in der Welt aufzudecken. Nun konnte dieser verdeckende Schleier abgenommen werden und das wahre Wesen der Dinge, nämlich ihr g-ttlicher Aspekt, an den Tag kommen.3
Die Vorbereitung dazu ereignete sich bei der Spaltung des Meeres.4 Denn das Meer breitet sich wie ein Schleier über die Welt im Wasser. Es symbolisiert die Verhüllung des G-ttlichen in der Schöpfung. Die Spaltung des Meeres drückt den Aufriss des Schleiers und die Offenlegung des Verborgenen aus. Somit ist die Meeresspaltung, als Vorbereitung für die Offenbarung am Sinai, ein Ausdruck für das Freiwerden enormer g-ttlicher Energien.
Thora und Tefillin
Diese großartigen g-ttlichen Offenbarungen am Meer spiegelten sich auch in dem Gedeihen der Bäume und Früchte am Meeresboden wider. In der Erde steckt die Kraft des pflanzlichen Wachstums, und auch im Fruchtsamen verbirgt sich das Potenzial für Früchte, jedoch verhüllt. Bei der Spaltung des Meeres aber, als sich die verborgenen g-ttlichen Kräfte offenbarten, sprossen die Bäume aus der Erde und ließen Früchte gedeihen. Das waren keine zusätzlichen Wunder, sondern Ausdruck für die Offenbarung der verborgenen g-ttlichen Kräfte auf der Welt.
Auch das Aufstellen der Wassermassen wie zwei Mauern war die Folge der Offenbarung verborgener g-ttlicher Energien. Unsere Meister sagen5, dass es gegen das jüdische Volk eine Anklage im Himmel gab, als sie das Meer überqueren wollten. „Inwiefern sind sie besser als die Ägypter, dass jene verschont werden und diese ertrinken sollen?“ Was hat das jüdische Volk gerettet? – „Zu ihrer Rechten und zu ihrer Linken“: das Privileg der Thora (welche „die rechte G-ttes“ genannt wird) und das Privileg der Tefillin (welche mit „links“ in Verbindung stehen). Diese zwei Privilegien fanden ihren Ausdruck in den Wassermassen, die wie zwei schützende Wände sich “zu ihrer Rechten und zu ihrer Linken“ aufstellten.
(Likutej Sichot, Band 3, Seite 966)
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