Wie in der dieswöchigen Sidra geschildert wird, leistete Moses den Töchtern Jitros Beistand – eine Episode, die für alle heute in der Diaspora lebenden Juden bedeutungsvoll ist.

Wie erinnerlich, floh Moses in das Land Midian, nachdem er einen Ägypter erschlagen hatte. Bei einer Wasserzisterne angekommen, sah er, dass Jitros Töchter Schwierigkeiten hatten, ihre Herden zu tränken; und so half er ihnen dabei. Nach Hause zurückgekehrt, wurden sie von ihrem Vater gefragt (Exodus 2, 18-19): "Wieso seid ihr heute so rasch heimgekommen?"; sie berichteten, was vorgefallen war, und sagten: "Ein ägyptischer Mann hat uns gerettet ..."

Eine Frage bezüglich dieser Bezeichnung "ägyptischer Mann" liegt nahe. Gewiss, mehr wussten sie über Moses nicht auszusagen. Sie kannten weder seinen Namen noch seine Geschichte, sie wussten weder, wer er war, noch was er werden würde. Sie wussten nur, dass er aus Ägypten gekommen war, und als solche identifizierten sie ihn. Die Tora hätte jedoch ihren Bericht umschreiben oder sie so zitieren können: "Ein Mann rettete uns." Statt dessen aber zitiert die Tora – in der es kein überflüssiges Wort gibt – dass Attribut, das sie gaben: "ägyptisch".

Diese wortwörtliche Wiedergabe in der Tora ist von Wichtigkeit.

Für Moses war diese Beschreibung seiner Person durchaus nicht etwas, auf das er stolz sein konnte; im Gegenteil, sie war ein bisschen herabwürdigend. Nicht erwähnt wird hier, dass er der Sohn des Amram war; seine Abstammung von Abraham, Isaak und Jakob ist verschwiegen; und auch über seine eigenen Verdienste ist nichts ausgesagt.

Der Sohar (s. auch Tanja, Kap. 22) unterstreicht dies noch; er betont ausdrücklich, dass Moses in Ägypten geboren, "dort" aufgezogen und "dort" groß geworden war. Daraus folgt, dass das Wort "ägyptisch" nicht nur zwingend in die Erzählung gehört, sondern sogar wesentlich für unser Verständnis von Moses selbst ist! Dort in Ägypten wurde er geboren, dort aufgezogen, dort erlangte er Größe. Diese dreifache Betonung erscheint ganz paradox, wollte doch Ägypten seine Geburt hintertreiben (alle neugeborenen Knaben sollten ertränkt werden). Ägypten stand seiner Reife im Wege, und Ägypten bekämpfte zweifellos die Art, wie er groß wurde.

Ein ähnliches Paradoxon ist im Tanja beschrieben, und zwar dort, wo er das Problem der Ablenkung durch unpassende Gedanken beim Beten diskutiert. Wenn jemand ohne Ablenkung betet, dann ist sein Gebet Routine. Wenn aber ablenkende (oder sogar "feindliche") Gedanken seine Konzentration zu beeinträchtigen suchen, soll er nicht ängstlich sein. Vielmehr sollte gerade dies dazu dienen, seine Konzentration zu heben, seine Entschlossenheit zu stärken. – Eine ähnliche Parallele ergibt sich, wenn man an das ständige Exerzieren der Körpermuskeln denkt. Nicht diejenigen Muskeln werden kräftiger, die sich dauernd ausruhen!

Könnte man sich ein Kulturgebilde vorstellen, das dem Judentum so feindlich war wie das Ägypten der Antike? Doch eben diese Herausforderung durch jene ungünstige Umgebung stärkte Moses und verhalf ihm zu geistiger Größe und Statur. Und mit dieser Antwort ist auch eine Antwort denjenigen gegeben, die sich beklagen, es sei im Exil "zu schwer", Tora und Mizwot einzuhalten, die behaupten möchten, die Tora sei für ein Volk bestimmt, das friedlich im Paradies lebt, das nur mit Engeln zu tun hat, dem das Manna vom Himmel fällt, und das für das Studium Musse hat.

Das Gegenteil ist wahr. Die Herausforderung unseres eigenen "Ägypten", die Widerwärtigkeit unseres eigenen Exils stärken unsere "Muskeln". Wir, das jüdische Volk, sind (wie der Sohar über Moses aussagt) "dort" geboren und "dort" aufgewachsen. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen; "dort" – in unserer Umgebung – müssen wir Zeit und Platz für Tora und Heiligkeit haben.