Die Tora besteht aus fünf Büchern, unterteilt in 54 Parschiot. Diese werden im Allgemeinen “Die fünf Bücher Moses” genannt.

Auf den ersten Blick scheint der Name hier deplatziert. Es ist wahr, dass Moses sie transkribiert hatte und es ist darüber hinaus wahr, dass er die Hauptcharakter darin ist, aber ist es nicht G-ttes Tora? Der Talmud wundert sich ebenfalls über die Aussage des Propheten (Malachi 3:22), “erinnere der Tora von Moses, meines Dieners.” Ist es denn Moses' Tora? Ja sie ist es, sagt der Talmud. “Weil er ihr sein Leben widmete, wird sie nach seinem Namen genannt.”

Im ersten Buch, Bereschit, wird Moses nicht erwähnt. Dies macht Sinn – er war noch nicht geboren. Das Wort “Moses” erscheint auch nur wenige Male im fünften Buch, Dwarim. Dies ist ebenfalls verständlich – das ganze Buch Dwarim ist eine 37-tägige Rede, die Moses vor seinem Volk, vor seinem Tod, hält. Während der elf Paraschiot des Buches Dwarim hören wir seine Stimme - “In dieser Zeit sagte G-tt zu mir ...”,“Und dann reisten wir weiter ...” (im Gegensatz dazu ist die übrige Tora in der dritten Person geschrieben – “Und G-tt sprach zu Moses ...”, “Und Moses bestieg den Berg...”, usw.)

In den anderen Büchern erscheint der Name “Moses” oft mehrmals in jedem Wochenabschnitt. In allen Paraschiot, mit einer Ausnahme: im Wochenabschnitt Tezawe (Schmot 27:20-30:10) wird der Name “Moses” nicht ein einziges Mal erwähnt.

Im Tora-Kommentar des Baal HaTurim wird dieses Phänomen damit erklärt, dass Moses, nach dem goldenen Kalb, etwas zu G-tt gesagt hatte. Als das Volk Israel seinem Bund mit G-tt untreu wurde, 40 Tage nach Erhalt der Tora am Berg Sinai, teilte G-tt Moses mit, dass er plante das fehlgeleitete Volk zu zerstören und, durch Moses und seine Nachkommen, ein neues, besseres Volk aufzubauen. Moses bat, argumentierte zu Gunsten seines Volkes und sagte schließlich zu G-tt: “Wenn Du ihnen ihre Sünden vergeben wirst ... Aber wenn Du es nicht beabsichtigst, dann lösche mich aus dem Buch, dass Du geschrieben hast” (Schmot 32:32). Dies ist es, weswegen der Name “Moses” nicht im Wochenabschnitt Tezawe erscheint, so der Baal HaTurim.

Einige Aspekte wollen wir aber noch einmal näher betrachten, um diese besser zu verstehen:

a) Am Ende zerstörte G-tt natürlich nicht das Volk Israel und löschte Moses Namen nicht aus seiner Tora. Warum war aber Moses' Name aus dem Wochenabschnitt Tezawe gelöscht worden? Ist dies eine Art von Bestrafung für die unverfrorenen Worte oder gibt es eine tiefere Bedeutung?
b) Was versuchte Moses zu erreichen? War dies eine Art “Drohung” um G-tt zu nötigen? Gibt es eine Möglichkeit, dass das Löschen von Moses' Namen aus einem Teil der Tora das Volk Israel gerettet hat?
c) Warum verschwandt Moses Name allein aus Tezawe?


Der Sohar spricht über G-tt, die Tora und das Volk Israel als “drei Glieder einer Kette, die miteinander verbunden sind ... jedes besteht aus einem Level auf einem Level, verborgen und offenbart.”

Was sind nun diese “versteckten” und “offenbarten” Level, von denen der Sohar spricht? Die chassidischen Meister erklären, dass es zwei Level gibt, auf denen G-tt, Israel und die Tora miteinander verbunden sind. Auf dem “offenbarten” Level ist Tora die Verbindung zwischen G-tt und Israel. G-tt ist unbegrenzt und unfassbar, und wir sind begrenzte, sterbliche Wesen. Aber G-tt gab uns Seine Tora, die eine Verkörperung Seiner Weisheit und Seines Willens darstellt; wenn wir nun die Tora studieren und ihre Anordnungen erfüllen, so verbinden wir uns mit G-tt.

Auf einem tieferen Level verläuft die Verbindung auf einem anderen Weg: die Seelen Israels sind es, die die Tora mit G-tt verbinden. Auf diesem Level ist die Seele ein Funke des G-ttlichen Wesens, und die Tora ist ein Produkt dieser Einheit. G-tt ist über dem Besitz einer “Weisheit” oder eines “Willens”; Er nutzt diese allein als ein Mittel, durch das Er Seine innere Beziehung zu uns ausdrücken kann.

In anderen Worten kann man das “offenbarte” Level wie folgt darstellen, ein jüdischer Mensch, der die Tora ablehnt, G-tt verhüte, verliert seine Verbindung mit G-tt. Im verborgenen Level ist es die Tora, die uns “benötigt”, um mit dem Allmächtigen verbunden zu werden.

(Folglich gibt es Verse und Midraschim, die das jüdische Volk als G-ttes Kinder beschreiben – die Beziehung eines Kindes zu seinen Eltern wird von der Tatsache geprägt, dass es eine Erweiterung des Wesens seiner Eltern ist. An einer anderen Stelle sehen wir die Tora als die Quelle unseres Bundes, wie der Midrasch, der die Tora als G-ttes “Tochter” und Israel als den “Schwiegersohn des Königs” beschreibt.)


Jetzt können wir verstehen, was Moses erreicht hat, indem er darauf beharrte, dass G-tt seinen Namen aus der Tora löschte.

Der “Name” einer Person ist das Ich, welches sie der Welt darbietet, hinter dem sich aber zugleich ein tieferes Ich liegt, das über alle Bezeichnungen und Beschreibungen hinausgeht. Folglich sagen unsere Weisen, dass “die ganze Tora G-ttes Name ist” - z.Bsp. Die Art, mit der G-tt sich uns vorstellt.

Als G-tt zu Moses sagte, dass Israels von der Tora abweichen, den Bund mit Ihm zerstört hat, verstand Moses, dass dies bedeutete, dass G-tt sich nun ihnen gegenüber auf dem Level des “Namen” befand – der “offenbarten” Dimension ihres Bundes, wo die Tora als Verbindung zwischen G-tt und Israel fungierte. Er wusste, dass, um das Volk Israel zu schützen, er an ihre “verborgene” Beziehung zu G-tt erinnern musste – den inneren Bund, den keine Übertretung erschüttern kann. So sagte er zu G-tt: “Lösche meinen Namen aus der Tora.”

Die Tora ist mein Leben, sagte Moses. Mehr noch, es ist der Kern der Beziehung zu dem Volk, das ich liebe: Ich bin ihr Lehrer, der Überbringer Deiner Weisheit. Aber meine grundlegenste Verbindung mit ihnen verläuft noch tiefer. So sehr, dass Ich darum bitte, dass mein Name aus der Tora getilgt wird, da, so lange ich meine Rolle in ihren Leben als Quelle der Tora definiere, ihr abweichen von der Tora bedeuten würde, dass ich nicht länger mit ihnen verbunden bin.

Die Taten der Gerechten haben eine interessante Wirkung auf G-tt – sie veranlassen Ihn in gleicher Weise zu handeln. Moses' Worte veranlassten G-tt in gleicher Weise zu handeln, Seine “verborgene”, “namenlose” Beziehung zu Seinem Volk anzunehmen – den Bund, der über die Tora hinausgeht und die eigentliche Quelle und der Existenzgrund der Tora ist. (So rettete Moses nicht nur das Volk Israel – er rettete auch die Tora.)


Der Wochenabschnitt Tezawe dient als ein beeindruckendes Monument von Moses' Tat und dem, was sie bewirkt hat. So können wir sagen, dass sein “Name” wirklich nicht in dem Wochenabschnitt geschrieben steht, sein “namenloses” Wesen jedoch umso stärker hervortritt. Dies kann man im ersten Satz von Tezawe sehen, welcher G-ttes Worte an Moses beinhaltet: “Und du sollst die Kinder Israel anweisen ...” In dem allerersten Wort der Parascha – w'ata, “und du” - ist Moses erwähnt. Dies geschah nicht durch seinen Namen, aber durch das den Namen übersteigende “du.”

Warum aber Tezawe? Der 7. Adar – der Tag Geburts- und Todestag von Moses – fällt immer in die Woche, in der die Parascha Tezawe gelesen wird. So ergibt sich eine passende Gelegenheit in das grundlegende “du” von Moses eingeführt zu werden.