Die dieswöchige Sidra Reeh beginnt mit den Worten (Deut. 11,26-28): "Siehe, ich setze vor euch heute einen Segen und einen Fluch. Den Segen, dass ihr auf die Gebote des Ewigen hört ..., und den Fluch, dass ihr nicht auf die Gebote hört ..." Die bloße Tatsache, dass ein Jude – G-tt behüte – vom Pfade der Tora und der Mizwot abweicht: dies allein kommt schon einem Fluche gleich.

Bekannt und anerkannt ist die Bedeutung der Vererbung, wenn es sich darum handelt, körperliche, intellektuelle oder geistige Charaktermerkmale zu übertragen, selbst über mehrere Generationen hinweg. Man bedenke, um wie viel schwerer dieser Einfluss wiegen muss, wenn ein Charakterzug viele Generationen hindurch ununterbrochen vererbt und dabei noch ständig verstärkt wird, wenn er damit nachgerade zu einem Wesenszug der individuellen Persönlichkeit wird, zu einem Teil ihrer eigentlichen Natur.

Weiterhin ist folgendes klar: Sollte ein Mensch – genau wie jedes andere Lebewesen – einen ihm angeborenen Charakterzug, der tief in ihm verwurzelt liegt oder der seine wahre Natur bestimmt, wechseln wollen, dann würde dies gewaltiger Anstrengungen bedürfen; und das Endergebnis wäre – unweigerlich und unausbleiblich – negativ und zerstörend, nicht konstruktiv. Er wäre damit einer großen inneren Umwälzung ausgesetzt, und die Auswirkungen wären schlimm.

Gerade in diesem Zusammenhang nun denke ich insbesondere an den Juden, ob Mann oder Frau. Der Jude gehört einer der ältesten Nationen der Welt an, die auf eine beurkundete Geschichte von über 35 Jahrhunderten zurückblicken kann; und von Natur und Geburt her ist er mit dem jüdischen Volke mit jede Faser seines Lebens verbunden. Deswegen konnten diejenigen Sekten oder Gruppen, die vom authentischen Lebensweg von Tora und Mizwot abweichen wollten, keinen Bestand haben – wie die Geschichte zur Genüge gezeigt hat. Derartige abtrünnige Gruppen haben sich immer selbst aus ihrem natürlichen Boden entwurzelt; sie waren nicht nur nicht konstruktiv, sondern sie entpuppten sich, darüber hinaus, bald als die schlimmsten Feinde des jüdischen Volkes, als seine grausamsten Verfolger.

Nur diejenigen Juden, die getreu zu Tora und Mizwot gehalten haben, so wie diese am Berge Sinai verkündet worden sind, haben all ihre Bedränger überlebt; denn nur durch Tora und Mizwot kann das jüdische Volk sich an das höchste Wesen anschließen, an G-tt, der uns die Tora, unsere "Weltanschauung", gegeben hat.

Wenn wir tiefer über diesen Punkt nachdenken, sind wir imstande, die große und heilige Erkenntnis wertzuschätzen, welche uns von Generation zu Generation vererbt worden ist, von der Offenbarung am Berge Sinai bis zum heutigen Tage.

Diese geheiligte Tradition bedingungslos und fraglos zu akzeptieren, bedeutet nicht, dass dem Intellekt, dem Verstehen, kein Spielraum gegeben werden kann. Im Rahmen der uns verliehenen Kräfte und Anlagen gibt es vieles, das wir begreifen können; denn G-tt in Seiner unendlichen Gnade hat uns einen Einblick in manche Aspekte Seiner Gebote gewährt, einen Einblick, der mit und in der Erfüllung der Mizwot im täglichen Leben stetig wächst – dadurch, dass wir die Mizwot zu einem täglichen Erlebnis machen.

Auf diese Weise ist es dem Juden gegeben, inneren Frieden zu erlangen, ein harmonisches und glückliches Leben, nicht nur in geistiger Hinsicht, sondern auch körperlich. Dann erst versteht er völlig, wie begnadet er ist, Sohn oder Tochter dieser großen und heiligen Nation (Exodus 19, 6) zu sein: des jüdischen Volkes.