Das erste Gebot in unserem Wochenabschnitt handelt von der Abgabe der Erstlingsfrüchte.1 Der jüdische Bauer sollte die ersten Früchte seiner Ernte nach Jerusalem zum Tempel bringen. Dadurch drückte er seinen Dank an G-tt für das Land und Seinen Segen aus. Dem Schöpfer zu danken ist ein zentraler Grundstein im Judentum.2 Dies beginnt schon beim Aufstehen, wenn man das „Mode Ani“ spricht und findet seinen Ausdruck im Gebet und den Segnungen über Essen usw. Sogar in anderen Kulturen gibt es den Brauch, G-tt Dankbarkeit auszusprechen.
Doch das Gebot über die Erstlingsfrüchte trägt etwas Besonderes in sich: Bei diesem Gebot bindet der Jude seine Dankbarkeit zu G-tt an eine Tat. Außer den Lobpreisungen im Mund, nimmt er von den Erstlingen aller Frucht des Erdbodens, reist mit ihnen zum Tempel und bringt sie vor den Herrn, deinen G-tt dar.3 Dadurch drückt der Jude aus, wie sein ganzes Dasein, seine Gedanken, Worte und sogar Taten, G-tt huldigen.
Heute können wir keine Erstlingsfrüchte mehr darbringen, doch dieses Gebot trägt eine wichtige Lehre in sich: Dankbarkeit zu G-tt muss sich auch in den Taten ausdrücken! „Danke“ sagen ist wichtig, doch dafür auch etwas zu tun zeigt auch, dass es ehrlich gemeint ist.
Wir sind Erstlinge!
Das Gebot über die Erstlingsfrüchte ist auch ein Symbol für die Bindung zwischen G-tt und dem Juden. Denn das jüdische Volk wird auch „Erstlinge“ genannt, wie der Vers sagt: Wie eine Erstlingsfrucht am Feigenbaume in der Frühzeit ersah ich eure Väter.4
Und so wie die Erstlingsfrüchte das Erste der Ernte sind, ist auch das jüdische Volk der Erstling der ganzen Schöpfung, wie unsere Meister sagen: „Der Gedanke an das jüdische Volk stand vor jeder anderen Sache.“5
Wo gehörst du hin?
Und so wie die Erstlingsfrüchte nach Jerusalem gebracht wurden, denn dort gehörten sie hin, ist der wahre Platz jedes Juden vor dem Herrn, deinem G-tt im Tempel. Das heißt, jeder Jude muss sich richtig einschätzen, was er ist und wohin er eigentlich hingehört: Er ist der „Augapfel G-ttes“, seine alleinige Erstlingsfrucht, die in Heiligkeit und Reinheit gehalten werden muss. Und sein Platz ist im „Territorium der Heiligkeit“: die Synagoge, das Lehrhaus, der Schabbattisch, ein anständiger Arbeitsplatz usw. Nicht jede Sache darf er sich erlauben (Verboten) und auf gewisse Sachen muss er besonders achten (Gebote). Dies ist das ganze Dasein des Juden, in all seinen Lebensbereichen – an G-tt stets gebunden zu sein.
Diese Erkenntnis soll das ganze Leben des Juden füllen und nicht nur, wenn er zu G-tt betet oder mit den Geboten beschäftigt ist. Denn er ist in seinem ganzen Wesen die Erstlingsfrucht G-ttes, auch wenn er isst, arbeitet, mit anderen Menschen zu tun hat und seinen weltlichen Angelegenheiten nachgeht. Wenn er dies stets vor Augen hält, wird ihm das helfen, stets das Richtige und Anständige zu tun, denn er weiß, dass er vor G-tt als Erstling geheiligt wurde.
Die kleinen Details
Dies betrifft auch die kleinen Details im Leben des Juden. Selbst wenn es sich nur um einen Gedanken, ein Wort oder eine Tat handelt – auch diese sind Teil der Erstlingsfrüchte, die in den heiligen Tempel gehören. Er muss sich dessen nur bewusst sein und wird sodann mehr darauf achten, was er denkt, spricht und tut.
Das Gebot der Erstlingsfrüchte, so wie es sich gehört, werden wir erst zur vollkommenen Erlösung erfüllen können. Doch da die Erlösung bereits sehr nahe ist, muss man sich in der symbolischen Bedeutung dieses Gebots sehr stärken (nämlich, dass jeder Jude die Erstlingsfrucht G-ttes ist) und mit G-ttes Hilfe werden wir dadurch erneut die Erstlingsfrüchte im Dritten Tempel darbringen können!
(Sefer haSichot, Jahrgang 5751, Band 2, Seite 810)
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