Im ersten Teil der dieswöchigen Sidra Ki Tawo befasst sich die Tora mit der Mizwa und dem Vorgang des Darbringens der "Bikurim", der "ersten Früchte" jedes Jahres. Der jüdische Landwirt war verpflichtet, die erlesenen ersten Früchte seines Ertrages zum Tempel zu bringen, um auf diese Weise seiner Dankbarkeit G-tt gegenüber für die Segnung des Landes Ausdruck zu verleihen.
Diese Vorschrift von "Bikurim" war durch eine Reihe von unerlässlichen Bedingungen eingeschränkt. Zum Beispiel war sie nur für Landbesitz im Heiligen Land gültig, und auch dies nur, solange der Tempel bestand. Ferner war zu dieser Abgabe nur jemand verpflichtet, der eine Parzelle von besonders fruchtbarem Boden sein eigen nannte (s. dazu Mischna, Bikurim 1, 1 und 3). Außerdem unterlag sie nach einer zeitlichen Beschränkung, denn sie ging nur an für die Zeitspanne zwischen Schawuot – Frühsommer – und Sukkot – Herbst (Raschi zu Deut. 26, 11; Maimonides, "Jad", Hilchot Bikurim 4, 13).
Indessen enthält die Vorschrift der "ersten Früchte", ungeachtet dieser scheinbar recht engen Anwendbarkeit, eine Lehre, die sich über eine viel breitere Ebene erstreckt. Wir sollen "von den ersten aller Früchte des Bodens" nehmen und diese in das Heiligtum zum Priester bringen. Das besagt: Das Beste von unseren materiellen Gütern sollen wir für heilige Zwecke bestimmen. Wie Maimonides es ausdrückt ("Jad", Hilchot Issure Hamisbeach 7, 11): "Wenn man dem Armen zu essen gibt, dann soll man ihm die besten und köstlichsten Speisen seines Tisches geben. Mit den besten Gewändern aus seiner Gaderobe soll man die Nackten kleiden. Und wenn man ein G-tteshaus baut, dann soll man es schöner als sein eigenes Haus machen.
Die "Bikurim", diese "ersten Früchte", wurden nicht (wie andere Opfer) auf dem Altar verbrannt; dort würde ihre eigentliche physische Existenz zunichte gemacht werden, damit würde ihre materielle Eigenschaft – als ein "Gegenstand" – aufgehoben und in einen Zustand reiner Vergeistigung umgewandelt werden. Vielmehr wurden diese Früchte den Priestern gegeben, damit sie sie aßen! In dieser Form aber wurde der materielle Gegenstand, im vorliegenden Falle, einem höheren Zwecke selber zugeführt. Ähnlich sollte es bei uns sein; es ist nicht unsere Aufgabe, die materielle Seite "aufzuheben" oder "zunichte zu machen", sondern wir sollen den physischen Gegenstand auch dann heiligen und weihen, wenn er weiterhin in seinem niedrigen, materiellen Zustande verbleibt.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist dieser: Die Vorschrift lautet, dass der Landbesitzer (Deut. 26, 2) "von den ersten aller Früchte des Bodens" ins Heiligtum trage. "Von" den ersten Früchten heißt: nicht alle Früchte. Hierin kommt der wichtige Gedanke zum Ausdruck, dass man nicht den gesamten Ertrag seiner Arbeit und Mühe ins Heiligtum tragen. Vielmehr soll man die meisten seiner Früchte für sich behalten, und das schließt sogar einige besonders gute Früchte mit ein; nur einen kleineren Teil – die allerbesten – soll man dem Priester bringen.
Maßgeblich ist dabei die Idee, dass diese "ersten Früchte" ein "Muster" für die ganze Ernte waren, also stellvertretend für die ganze Ernte. Dadurch sollte erreicht werden, dass die den "Bikurim" anhaftende Heiligkeit und Weihung alle anderen Früchte ebenfalls durchdringe, dass sie diese erhöhe und vergeistige, ebenso wie jede Gabe von "Zedaka" (Wohltätigkeit) wesentlich dazu beiträgt, dass mit eben diesem Akt von Geben all unser eigenes Hab und Gut geheiligt wird.
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