Ein Science-Fiction-Autor beschrieb einmal, wie man fliegen lernen kann: Springen Sie von einem hohen Turm und vergessen Sie kurz vor dem Aufprall, dass Sie nicht fliegen können!
Haben Sie als Erwachsener etwas Neues begonnen — Ihre Ernährung umgestellt, endlich Sport getrieben, Schach gelernt, Fotografieren gelernt? Das alles war eine Herausforderung, vor allem weil Sie wenig Lust hatten, Ihre Gewohnheiten zu ändern. Mit anderen Worten: Sie müssen vergessen, dass Sie um acht Uhr abends fernsehen wollen; nur dann haben Sie Zeit, in der Dunkelkammer Fotos zu entwickeln. Oder Sie müssen vergessen, dass Sie Kälte und Regen verabscheuen; nur dann können Sie sich zum Joggen durchringen.
Ähnlich ist es mit dem Glauben. Sie müssen vergessen, dass Sie einen Körper haben, der einen Imbiss einnehmen will, obwohl es Zeit ist, in die Synagoge zu gehen. Nur dann erleben Sie die große Freude des Glaubens.
Diese Woche fangen wir mit dem Buch Exodus und dem Abschnitt Schmot an. Gleich der erste Absatz nennt siebzig Abkömmlinge Jaakows („siebzig Seelen“), die in Ägypten lebten. Dann springt der Text einige Generationen in die Zukunft und verkündet: „Die Kinder Israel waren fruchtbar und vermehrten sich stark und nahmen an Zahl zu und wuchsen außerordentlich; und das Land war voll von ihnen.“
Warum diese Wiederholungen? Vielleicht sollen sie unterstreichen, dass jede Generation und sogar jedes ihrer Mitglieder aktiv am Judentum festhalten musste, um kein „Ägypter“ zu werden. Sie mussten unseren Glauben verbreiten, obwohl der Einfluss der Kultur, in der sie lebten, überwältigend war. Dass sie fruchtbar waren und sich vermehrten, bezieht sich also nicht nur auf die Zahl der Kinder, sondern auch darauf, dass die Kinder mitten in einer feindlichen Kultur am jüdischen Glauben festhielten. Solange die Juden klein an Zahl waren, war die Feindseligkeit noch verhüllt; aber je größer das jüdische Volk wurde, desto mehr Feindschaft rief es hervor, wie dieser Wochenabschnitt berichtet. Die Juden mussten also „vergessen“, dass ihre Lage bedrohlich war. Sie mussten sich an der Wahrheit und Schönheit ihres Glaubens orientieren.
Was müssen wir heute vergessen? Uns bedroht kein übermächtiger, offenkundiger Feind. Dennoch ist unsere Identität gefährdet, wenn wir der Versuchung erliegen und uns mit der jetzigen Situation abfinden. Manchmal müssen wir vergessen, wie schön es ist, von anderen umarmt zu werden, wie leicht es ist, auch ohne die Mizwot ein Leben lang finanziell sicher zu sein, wie bequem es ist, nicht „anders“ zu sein.
Gerade heute dürfen wir die unumstößliche Wahrheit der Tora nicht vergessen. Wenn Sie mitten an Ihrem materiellen Tag innehalten und sich fragen, was wichtig ist, dann werden Sie sich daran erinnern. Und dann werden Sie es tun.
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