Jeder Tag unseres Lebens hat etwas vom Schabbat an sich, denn wenn wir beten, erleben wir das Paradoxon des Schabbats: Wir schmecken das Spirituelle als materielle Nahrung. Wir beten zu Hause oder in der Synagoge, in Hebräisch oder in einer anderen Sprache. Was wollen wir mit unseren Gebeten erreichen? Die Antwort lautet: Wir wollen G–tt näher sein, dem Schöpfer aller Dinge. Dabei vergessen wir uns selbst und unseren Alltag.

Ein anderer Aspekt des Gebetes ist unsere Bitte an G–tt, uns in der materiellen Welt zu helfen, uns zu beschützen, zu heilen, uns Essen und andere notwendige Dinge zu geben. Wie passen diese Aspekte zusammen?

Der Lubawitscher Rebbe bezeichnet es als allgemeines Ziel des Judentums, die höheren, ätherischen Ebenen der jüdischen Erfahrung zu erreichen und in unser tägliches Leben zu holen. Wir erreichen die oberen Sprossen der Gebetsleiter, wenn wir diese Heiligkeit in die alltägliche Welt geholt haben. Erinnern Sie sich an Jaakows Traum? Unser Schritte hin zu G-tt gleichen denen der Engel, welche die Leiter hinaufsteigen. Danach aber steigen sie wieder hinunter, und auf diese Weise segnet uns G–tt. Er gibt uns Gesundheit, Fülle und letztlich die Erlösung.

Warum ist ein Tag anders als die anderen?

Der Römer Turnus Rufus forderte die Juden gerne heraus. Einmal traf er Rabbi Akiwa am Schabbat auf der Straße und fragte ihn: „Warum ist ein Tag anders als die anderen?“

Rabbi Akiwa ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und antwortete mit einer Gegenfrage: „Warum ist ein Mensch anders als die anderen?“

Turnus Rufus war verwirrt. Da er nicht wusste, worauf Rabbi Akiwa hinauswollte, fragte er: „Was hat das mit meiner Frage zu tun?“

Rabbi Akiwa erklärte: „Du hast gefragt, warum der Schabbat unter den Wochentagen hervorgehoben wurde. Ich fragte zurück, warum du anders bis als andere Leute.“

Turnus Rufus warf sich in die Brust und prahlte: „Was für eine Frage! Natürlich bin ich anders als die anderen. Ich befehlige tausend Männer. Ich verdiene es, geehrt zu werden!“

„Das Gleiche gilt für den Schabbat“, sagte Rabbi Akiwa. „Er zeichnet sich unter den Tagen aus, weil der König der Könige, der allmächtige Schöpfer, ihn zum besonderen Tag erklärte. Es ist also sein Wille.“

Turnus Rufus wollte unbedingt das letzte Wort haben. „Wenn das so ist, warum arbeitet er dann am Schabbat?“

„Was arbeitet er denn?“, wollte Rabbi Akiwa wissen, und Turnus Rufus erwiderte:

„Er tut genau das, was er während der Woche tut: Er lässt den Wind blasen, den Regen fallen, die Wolken ziehen, die Sonne scheinen, Obst und Gemüse wachsen. Alles, alles ist genau wie an einem Werktag!“

Rabbi Akiwa erwiderte: „Ich weiß, dass du dich in den jüdischen Gesetzen und Bräuchen sehr gut auskennst. Darum möchte ich eine Analogie aus dem Gesetz ziehen.

Angenommen, zwei Juden wohnen zusammen in einem engen Hof. Der Hof wird jedoch nicht von einem Eruw vereinigt, und sie dürfen trotz des kleinen Weges nichts von einem Haus zum anderen tragen.

Ein anderer Jude, ein reicher Mann, besitzt einen großen Palast mit einem riesigen Garten. Er darf Dinge von einem Ende des Gartens zum anderen tragen, weil der Garten ihm gehört.

So ist es auch mit Haschem. Der Himmel ist sein Thron, und die Erde sein Fußschemel. Die ganze Welt ist von seinem Ruhm erfüllt — sie ist sein Privatbesitz. Darum darf er dort Dinge nach seinem Belieben hin und her bewegen.“