Die Sonnenbrille, die der Mann mit dem schwarzen Anzug trug, passte zum dunklen Ton des Wagens, aus dem er soeben ausgestiegen war. Er schaute zum Himmel und war beruhigt den Helikopter zu entdecken, der über ihm kreiste. Wie verabredet, tippte er zweimal an seine Brille und verschwand in einem Türeingang.

Agent Kinney war überrascht, dass der junge Mann dort war, wo er gesagt hatte. Er sass an der Theke eines heruntergekommenen Delis und löffelte Kreplach aus einem grossen Teller.

Es war noch nie so leicht gewesen einen der FBI meistgesuchten Verbrecher zu fassen. Es machte Agent Kinney nervös.

„Keine Sorge“, sagte Melman, „es hat nichts in meinem Ärmel oder unter meiner Kippa“.

Der Agent glitt auf den Hocker neben Melman und versuchte seinen Gefangenen lehrbuchgemäss einzuschätzen. Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er seine Sonnenbrille auszog. So das war also das Superhirn, das die ganze Welt zum Stillstand gebracht hatte. In einem Boxkampf wäre er Woody Allen haushoch unterlegen gewesen.

„Ich kann ausser dem Tscholent alles empfehlen“, sagte Melman, als er der Serviertochter rief.

„Kaffee schwarz für mich, bitte.“ Agent Kinney hatte keine Ahnung, was Tscholent war, wollte sich aber keine Blösse geben.

Melman seufzte. So würde nun sein letzter Tag in Freiheit enden, in einem Newark Deli in Gesellschaft eines kaffeeverladenen FBI Agenten.

Agent Kinney kam gleich zur Sache. „ Ira Melman, ich bin Bundesbeamter. Sie sind verhaftet. Alle gegen sie gerichteten Anklagen aufzuzählen, wäre müssig.“

Melman wusste, dass er sehr lange weg sein würde. Er wusste ebenfalls, dass das Gefängnis für einen Kerl mit weniger als 6% Körperfett ein gefährlicher Ort war. Er wechselte das Thema um das Unvermeidliche herauszuschieben.

„Würden Sie denn gerne wissen, warum ich es tat?“

„Tja, es gibt da schon ein paar von meinen Leuten, die sich dafür interessieren würden.“

Kinney lehnte sich näher an sein Opfer an, damit die Kleinkamera, die in seinem Revers verborgen war, das Geständnis besser aufnehmen konnte. „Wie sah der Plan aus? Banküberfall? Erpressung? Insiderhandel?

Melman rührte in seiner Suppe und lächelte.

„Eigentlich wollte ich uns nur ein bisschen Ruhe gönnen. Und ich dachte, 25 Stunden ohne Internetanschluss wären dafür ein Superanfang. So hackte ich mich ins System rein und schaltete das World Wide Web für einen Tag aus. Und dann verursachte dies zu meiner grossen Freude einen Dominoeffekt, so dass alles andere auch lahmgelegt wurde.“

Diese Information war für Agent Kinney neu. „Sie wussten also nicht, dass Sie einen weltweiten Stromausfall auslösen würden?“

„Absolut nicht. Wer wusste denn schon, dass Computer so mächtig geworden waren?“

Agent Kinney zuckte die Achseln und hoffte, dass das Gerät, das ihr Gespräch via Satellit aufnahm, sein Erröten nicht aufzeichnete.

„Aber warum taten Sie es dann am nächsten Samstag wieder?“

„Ein Ruhetag war nicht genug. Es brauchte einen Weiteren. Bemerkten Sie nicht, welch einen beruhigenden Effekt es auf Ihre Umgebung hatte?“

Agent Kinney runzelte missbilligend die Stirn. „Eigentlich brach Massenpanik und Plünderungswut auf dem ganzen Kontinent aus. Und das nennen Sie Ruhe?“

Melman hüstelte. *Na ja, ich weiss. Aber am nächsten Freitag beruhigte es sich doch. Und bis zur dritten Woche machte es schon richtig Spass: Keine Arbeit, kein Telefon, kein Hetzen aufs Flugzeug. Kein Ort, wo wir sein mussten ausser zu Hause mit unserer Familie.“

Agent Kinney nickte. Das war genau, was bei ihm zu Hause passiert war. Da er weder telefonisch noch per Funk erreicht werden konnte, verbrachte er den letzten Samstag damit, seinem Sohn beim krabbeln Lernen zuzuschauen.

Melman packte die Gelegenheit beim Schopf: „Sie müssen doch zugeben, es war doch ganz nett so. Ein bisschen weniger Stress, wer weiss, vielleicht ist eine Auszeit pro Woche genug um unseren Planeten zu retten?“

„Vielleicht“, antwortete Agent Kinney. Er wusste, dass er aufgenommen wurde. Er wollte nicht so tönen, als ob er sich mit dem Feind verbündet hätte. Er erhob sich und nahm ein Paar Handschellen hervor. Bevor er sie jedoch um Melmans ausgestreckte Handgelenke legen konnte, vibrierte sein Ohrhörer. „Hier spricht Kinney.“ Er stand stramm als er über längere Zeit der Stimme am anderen Ende lauschte. „Ja, Herr Präsident. Sofort, Herr Präsident. Nein, vielen Dank, Herr Präsident.“ Agent Kinney legte verlegen die Handschellen in seine Jackentasche zurück. “Es sieht so aus, als ob Ihr kleiner Plan recht positive Auswirkungen hätte. Etwas im Zusammenhang mit niedrigeren Energiekosten und Wirtschaftsaufschwung. Sie sind frei und werden vom Präsidenten ins Weisse Haus zum Nachtessen eingeladen. Haben Sie diesen Freitag schon etwas vor?“

Melman lächelte und schüttelte den Kopf: „Es tut mir leid, aber Freitag abends bin ich jetzt anderweitig besetzt.“