Im Frühjahr 2042 habe ich letztlich den Piraten getroffen. Gerade als ich anfing zu glauben, dass es ihn gar nicht gab, erschien er plötzlich vor mir, sein 6‘6“-Rahmen ragte über meiner Kabine im 56. Stock auf, wo ich Vizekontrollor für Versand und Empfang bei „Versand und Empfang“ war. „Man sagt mir, ich habe etwas, das Sie brauchen“, sprach der Pirat.

Das hatte er tatsächlich. Im Jahr 2000, nachdem der Y2K-bug kaum eine Schramme im System hinterlassen hatte, erreichte die Ära, die mit Fax, Mobiltelefon und Internet begonnen hatte, Höchstgeschwindigkeit. Spätestens 2002 war das Herunterladen von Files Sache eines Augenblicks. Ab 2025 war der Personal-Computer so persönlich wie nur möglich, da jeder Mensch mit Sozialversicherungsnummer ein Hard-Drive in seiner oder ihrer linken Netzhaut eingebaut bekam. So wie bei den IRS-Scanner-Tattoos aus dem Jahre 2012 war der Einbau verpflichtend. Doch niemand machte großes Aufheben davon. Wir waren alle viel zu beschäftigt damit, effizient zu sein.

Im Jahr 2038 führten wir die siebentägige Arbeitswoche ein, nachdem Japan zu sechseinhalb übergegangen war. Und 2039 gingen wir zum 24-Stunden-Arbeitstag über, als China-Italien-Schweden 22 einführten. Du verstehst.

Natürlich hieß das nicht einfach Arbeit ohne Spiel in der PDW (Prodiktivsten Demokratie der Welt). Schließlich hatten wir ständigen Internet-Zugang zu 5.000 Satelliten-Kanälen in unseren Augenlidern. Tonnen von Videospielen, einschließlich „Klassiker der Raumfahrt“ in den vorderen Ohrläppchen. Sogar Fernsteuerung mit DVD Plus im Dünndarm.

„Noch ein Neubeginn“ von Star Wars 44 war Nummer eins unter den Kassenschlagern. Die Lakers gewannen ihr fünftes virtuelles Championship hintereinander. Die Börsenkurse kletterten auf 10,000,000,000. Das Leben war schön.

Und doch fühlte ich mich aus irgendeinem Grund miserabel. Ich machte die richtigen Turnübungen und ernährte mich korrekt. Ich beachtete die stündlichen Pausen für Schlaf und Sauerstoffzufuhr. Doch es half nichts.

Ich suchte im Internet unter „leer“, „ausgebrannt“ und „schwermütig“, doch ich bekam immer nur Seiten für Reisebüros und Cola-Drinks. Dann, als ich nachschaute wieviel im Frischluftreservoir noch vorhanden war, lief eine Werbeeinschaltung in mein Augenlid: „Leer? Ausgebrannt? Schwermütig? Der Pirat hat die Software, die Ihr Leben ändert! Hier clicken.“ Als ich clickte geschah gar nichts. Ich dachte, es war wieder einer von diesen Hackern.

Nach und nach hörte ich Geschichten über den Piraten und seine verbotene Software. Verrückte, wunderschöne Dinge. Was er hatte, konnte alles verändern. Leben zurückbringen in meine leblose Kabine. So suchte ich und schickte Faxe und e-mails, und wartete. Und plötzlich war er da, leibhaftig, mit einer unscheinbaren CD-Rom in seiner ausgestreckten Hand.

„Was kostet es?“, fragte ich.

„Für so eine Kleinigkeit? Nichts.“

Bevor ich widersprechen konnte, war er weg.

Ich wartete bis kurz vor Sonnenuntergang und lud die CD herunter. Augenblicklich erfüllte mich ein Sinn von Freude und Erleichterung. Erstmals seit 32 Jahren hörte das Telefon auf zu läuten. Mein Fax hörte auf zu faxen. 5.000 Bildschirme fuhren herunter und wurden schwarz. Im Kerzenlicht bestaunte ich den unendlichen Frieden, die beeindruckende Stille. Der Geruch von frisch gebackenem Brot irritierte meine Nase. Der Klang engelhaften Singens füllte meine Ohren. Die Liebkosungen meiner Tochter streichelten meine Seele. Mehr als 24 Stunden später entfernte ich die CD-Rom, bereits voll Vorfreude auf das nächste Mal da ich sie verwenden würde. Ich schaute hinunter auf die Diskette und sah das handgeschriebene Etikett: Schabbat 1.0.