Philosophen und Physiker interessieren sich beide für die Vergangenheit - wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Wir wissen, dass jede Aktion eine Reaktion hervorruft und das jedes Vorkommnis eine Reihe nachfolgender Ereignisse nach sich zieht. Stellen Sie sich das mal vor: unzählige Geschehnisse und Taten, die dem jetzigen Augenblick vorangingen. Jede noch so kleine Veränderung in einem der vergangenen Ereignisse würde ein anderes Jetzt bedeuten. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das, dass die Gegenwart - was ich tue und mir genau jetzt widerfährt - die Summe aller meiner bisherigen Taten und was mir bis jetzt passierte darstellt.
Philosophen interessiert das, weil der denkende Mensch sich als Schöpfung mit einer Wahl betrachtet. Physiker haben damit ein Problem, weil ihre Mikroskope und Partikelbeschleuniger auf ein Zufallsuniversum schließen lassen. Und der Rest von uns wacht jeden Morgen zu einem neuen Tag auf, fühlt aber schon sehr bald das bekannte Gewicht des Gestrigen, das uns in die Bahnen der Gewohnheiten und Notwendigkeiten drängt. Nichtsdestotrotz glauben wir daran, die Kontrolle zu haben; dass wir mit einer bestimmten Menge entschlossenem Aufwands uns befreien können und werden.
Der jüdische Kalender hat acht Tage im Jahr für den Glauben daran reserviert. Die acht Tage von Pessach, "unsere Zeit der Freiheit" verkörpern die Überzeugung, dass wir in einem bestimmten Moment die Kraft haben, uns - in den Worten der Haggada - "von der Sklaverei in die Freiheit, von der Trauer in die Freude, vom Bedauern in die Festlichkeit, von der Dunkelheit ins große Licht und von der Knechtschaft in die Erlösung" zu begeben.
Folglich bestimmten die großen Weisen, dass der Exodus aus Ägypten in jeder Generation unserer Geschichte und an jedem Tag unserer Leben stattfinden soll. Denn was sonst ist der Exodus, wenn nicht die Kraft eines Volkes, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, sich von den Umständen zu befreien und ein neues Selbst aus dem Leib gebären, aus dem es stammt?
Darin liegt die tiefere Bedeutung des Namens des Festes. Allgemeinhin als Pascha übersetzt, so bedeutet das hebräische Wort "Pessach" wörtlich "herüberspringen".
"Gehen" oder "Laufen" impliziert einen Ortswechsel, daher ist dies eine Veränderung, die von der ursprünglichen Position abhängt und von ihr vorggeben wird. Ein Fuß verlässt den Boden, aber der andere bleibt dort verwurelt, um den Vorwärtsdrang sicherzustellen. Die Bewegung kann groß oder klein, langsam oder schnell sein - aber in allen Fällen hängt jeder Schritt vom vorherigen ab.
Ein Sprung jedoch, bei dem beide Füße den Boden verlassen, bedingt einen Bruch mit der Vergangenheit - eher ein Quantensprung als ein stufenweiser Schritt; mehr Geburt als Reifung.
Dennoch ist der Sprung nicht darin begründet, den Himmel zu erreichen und dort zu verweilen. Sollten Sie das versuchen, so haben Sie die gesamte Idee nicht erkannt. Sie liegt darin, auf den Boden zurück zu kehren; nicht ein, zwei oder mehrere Schritte voraus, aber als andere Person wieder anzukommen als die, die sich hinhockte, um zu springen. Nicht um als Gefangener in seine Vergangenheit zurück zu kehren, sondern als Meister, der sie übersteigt, um sie von oben zu benutzen und aus ihr seine höheren Enden zu formen, von denen aus er seine Reise fortsetzt. Bis zum nächsten Sprung.
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