Auf dem Rückwege nach Kanaan, nach 20jährigem Aufenthalt im Hause seines Onkels Laban, sandte Jakob eine Botschaft an seinen Bruder Esau: "... Bei Laban habe ich mich aufgehalten – (das Wort deutet an: ich war ein Fremdling, ein Außenseiter) – und ich habe mir Ochsen und Esel, Schafe, Knechte und Mägde erworben ..." (Genesis 32, 5-6). Jakobs wahre Heimstätte war im Bereiche der Neschama (der G-ttlichen Seele), bei Tora und Mizwot. Was Reichtum und Behaglichkeit betraf, allen materiellen Dingen gegenüber, betrachtete Jakob sich als Außenseiter; es kam ihm vor, als "hielt er sich nur auf" – machte einen vorübergehenden Besuch – bei diesen materiellen Gütern.

Unter den Gästen, die eingetroffen waren, um den Schabbat mit dem Baal Schem Tov zu verbringen, war auch ein einfacher Dorfbewohner, der aus einer kleinen Bauernsiedlung in der Nähe der Stadt Meseritch gekommen war. Er gehörte zu den Tausenden von Juden jener Zeit, welche sich, den Rat des Baal Schem Tov befolgend, mit der Landwirtschaft abgaben, mit Vieh- und Hühnerzucht und mit Ackerbau. Er gehörte daher zu denjenigen, die der Baal Schem Tov besonders freundlich aufzunehmen pflegte.

Als der Dörfler sich vom Baal Schem Tov wieder verabschiedete, sagte dieser zu ihm: "Wenn du durch Meseritch kommst, bleibe dort einen Tag und richte Grüße von mir an einen meiner teuersten Schüler aus, den großen Rabbi und Gelehrten, den heiligen Zaddik, Rabbi Dov Baer."

Der Anhänger des Baal Schem Tov war über diesen Auftrag hocherfreut und machte sich fröhlich auf die Heimreise. In Meseritch erkundigte er sich nach Rabbi Dov Baer, überzeugt davon, dass ein von dem heiligen Baal Schem Tov so geschätzter Mann in der ganzen Stadt bekannt war. Es zeigte sich jedoch, dass anscheinend niemand von ihm gehört hatte! Ganz am Ende seiner Nachforschungen fand er heraus, dass im Armenviertel ein Melammed (Kleinkinderlehrer) namens Dov Baer lebte, der möglicherweise die gesuchte Person war.

Dort sah der Chassid denn ein kleines, altes, baufälliges Haus vor sich, in dem sogar die Hälfte der kleinen Fensterscheiben fehlten. Als er das Haus betrat, erspähte er einen Mann mittleren Alters, von außerordentlich edlem Aussehen: und er war sich gleich bewusst, dass dies in der Tat der gesuchte Rabbi war. Der "Maggid" (Prediger) von Meseritch – wie er später genannt werden sollte – begrüßte ihn und bat ihn dann, er möchte so gut sein und später wiederkommen, denn er sei gerade mit dem Unterricht seiner Schüler beschäftigt.

Der Dörfler hatte inzwischen um sich geschaut und sich dabei über den Zustand im Hause orientiert. Überall kam die Armut zum Vorschein. Der Melmmed, Rabbi Dov Baer, saß auf einem schweren, grob gesägten Holzblock. Seine Schüler saßen auf Brettern, die ihrerseits über Holzblöcke gelegt waren. Der Tisch bestand ebenfalls aus Brettern und Blöcke und das ganze Haus zeugte von herzzerreisender Armut.

Der Besucher ging wieder fort, in die Stadt zurück, um einige private Angelegenheiten zu erledigen.

Als unser Chassid nun so durch die Straßen von Meseritch spazierte, traf er zufällig einen Freund, einen Dörfler wie er, aus einer anderen kleinen Bauernsiedlung in der Nähe der Stadt. Der Freund, ebenfalls ein Anhänger des Baal Schem Tov, war hocherfreut, zu hören, dass der andere soeben aus Medsibus zurückgekehrt war, vom "Bescht" selbst. Beide waren schnell in angeregtem Zwiegespräch vertieft und diskutierten die Vorträge, die der "Bescht" an jenem Schabbat gehalten hatte, Grüße an Rabbi Dov Baer auszurichten, und dass er es beinahe unmöglich gefunden hatte, diesen überhaupt ausfindig zu machen. Sein Freund bestätigte ihm, der Maggid sei tatsächlich ein bedeutender Gelehrter und Zaddik. Er (der Maggid) habe schon sehr oft hohe Rabbinerposten in großen Gemeinden angetragen bekommen, habe aber all diese Angebote abgelehnt, nur um ein unbezahlter Melammed zu sein und von dem dürftigen Einkommen seiner Frau zu leben, die bescheidene Arbeiten versah.

Der Freund entschloss sich, unseren Dörfler zu Rabbi Dov Baers Haus zu begleiten. In der Straße, in der der Maggid wohnte, war der Ankömmling nochmals über das Aussehen der kleinen, schiefen, baufälligen Häuser entsetzt, eins noch schlimmer als das andere. In den Gossen lagen Schlamm und Schmutz so hoch, dass sie nicht einmal während der heißesten Sommertage austrocknen konnten.

Im Hause des Maggid stellten die beiden Besucher fest; dass der Tisch jetzt verschwunden war – denn bei Nacht wurden seine Bretter auf niedrige Blöcke die Wände entlang gelegt, um so als Betten für die Kinder des Maggid Dienst zu tun. Rabbi Dov Baer saß immer noch auf dem gleichen Holzblock, in sein Studium vertieft.

Der Maggid war über die Grüße von seinem Lehrer, dem Baal Schem Tov, hoch beglückt, und er bat seine sehr willkommenen Gäste, es sich bequem zu machen und sich zu setzen, wobei er ihnen Plätze an den Wänden anwies, auf den Brettern, die als Betten dienten. Nachdem unser Dörfler nunmehr seinen Auftrag ausgeführt hatte, konnte er sich nicht länger zurückhalten. Er wandte sich dem Maggid zu und sagte: "Ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll. Ich selbst bin gewiss kein reicher Mann, aber solltet Ihr mich bei mir zu Hause besuchen, so findet Ihr wenigstens, G-tt sei Dank, einen Stuhl, einen Tisch, ein Bett für die Kinder und andere Möbelstücke."

Darauf entgegnete der Maggid: "Zu Hause? Ja, zu Hause ist es anders ... eine ganz andere Sache. Zu Hause braucht man wirklich Stuhl und Bett, einen Tisch und eine Menora."

Die Antwort des Maggid machte einen tiefen Eindruck auf diese zwei einfachen Dorfbewohner. Die Welt, mit all ihren Behaglichkeiten, mit all ihren Palästen und herrschaftlichen Wohnsitzen, mit all den materiellen Gütern, ist nichts weiter als ein "Zelt", das während der Reise durch das Leben aufgeschlagen wird, damit man eine Nacht schlafen, einen oder zwei Tage verweilen kann. Und auf einer Reise braucht man, letzten Endes, nur das äußerste Minimum zum Essen und zum Schlafen. Aber wenn die Reise zu Ende geht und man kommt nach Hause ... ja, zu Hause, da ist es anders!