Im Zusammenhang mit dem Vers in der dieswöchigen Sidra Wajischlach (Genesis 32, 29): "Dein Name soll nicht mehr Jakob genannt werden, sondern Israel" wirft der Talmud (Brachot 13a) das folgende Problem auf: Würde man Abraham "Abram" nennen, so würde man die Anweisung übertreten (Genesis 17, 5): "Und dein Name soll nicht mehr Abram heißen". Wenn dem so ist, müsste dann nicht dasselbe auch für Jakob gelten müssen, dem oben zitierten Vers aus der heutigen Sidra gemäß? – Die Antwort des Talmuds auf die Frage lautet, dass in dieser Hinsicht ein Unterschied zwischen den Namen Jakob und Abram besteht. Denn nachdem G-tt Abraham seinen neuen Namen gegeben hat, wird er in der Tora nie mehr bei seinem vorherigen Namen genannt, während Jakob in der Tora auch weiterhin als Jakob verkommt, obwohl ihm der Name Israel beigelegt worden ist.

Das führt alsbald zu der naheliegenden Frage, aus welchem Grunde der Name Jakob beibehalten worden ist.

Nach einer chassidischen Erklärung zeigen die Namen "Jakob" und "Israel" zwei getrennte Phasen in der Dienstbeziehung zu G-tt an. Beide sind zu verschiedenen Zeiten für das religiöse Leben jedes Juden notwendig. "Israel" beinhaltet eine höhere Leistung, und doch wird damit der durch "Jakob" versinnbildlichte Dienst auf keinen Fall als überflüssig aufgehoben.

Der Unterschied zwischen beiden ist dieser: Der Name "Jakob" deutet an, dass er den Segen seines Vaters Isaak mit "Arglist und Spitzfindigkeit" (Raschi zu Genesis 32, 29) erschlichen hatte. Durch List erwarb er für sich den Segen, der dem Esau zugedacht war. "Israel" hingegen bedeutet, dass die Segnungen durch "edles Verhalten und in aller Öffentlichkeit" erworben worden war (Raschi, a.a.O.).

Wie immer auch die Tora interpretiert wird – die Wahrheit ihres buchstäblichen Sinnes bleibt auf jeden Fall unangetastet, auf folgender Grundlage. Der Segen Isaaks erstreckte sich auf die physische Welt und ihre Begünstigungen: "G-tt gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde" (Genesis 27, 28). Sehr wesentlich ist die Erkenntnis, dass Jakob in der Tat List und Tücke anwenden musste, um auf eben diese Weise und mit eben diesen Mitteln die Elemente der physischen Welt zu heiligen und zu weihen (um ihre "vergrabenen Funken von Heiligkeit" freizulegen).

Nach dem wiederholt zitierten Prinzip, dass die Taten der Väter Vorzeichen für die Kinder sind, müssen wir daraus folgendes schließen: In unseren Konfrontationen mit unserer eigenen Natur und mit unseren körperlichen Neigungen und Trieben haben wir List anzuwenden. Ein listiger Mensch verrät nicht im voraus seine Absichten; er scheint dem Wege seines Feindes zu folgen. Im kritischen Augenblick aber tut er dann das, was er selbst die ganze Zeit beabsichtigt hatte. So auch der Jude: Mit dem Anliegen der materiellen Welt beschäftig, scheint er ganz darin aufzugehen. Er isst, trinkt, schließt seine Geschäfte ab. In Wirklichkeit jedoch tut er dies um G-ttes willen. Sein Endziel liegt nicht im Materiellen. Nach außen hin trägt er die "Kleider Esaus", sein eigentliches Ziel dabei ist aber, die "heiligen Funken" freizulegen und zu erhöhen.

Die Methode für "Israel" demgegenüber besteht darin, diese Segnungen "vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde" durch ein "edles und offnes Verhalten" zu erwerben. "Israel" findet es auch im täglichen Leben nicht für nötig, seine Absicht, G-tt zu dienen, zu verheimlichen. Er kennt keine Spannungen; die Welt als solche hält ihn nicht in Sklavenbanden gefesselt, sie hält ihn nicht fern von der wesentlichen Verbindung mit dem G-ttlichen.

Diese Unterscheidung tritt klar zutage der Dualität: Schabbatmahlzeit gegenüber Alltagsmahl. Wenn man im Alltag sein Essen zu sich nimmt, dann macht man wohl die Spannungen mit, die zwischen einem physischen Tun (dem Essen) und dessen transzendentaler Motivierung bestehen. Das Essen eines Schabbatmahles dagegen bedeutet schon in sich selbst und als solches die Erfüllung eines Gebotes: Da denn ist die Heiligung des physischen Zustandes offenkundig.