Es gibt ein ganze Menge Mythen und Legenden über den Baal Schem Tov. Sogar die fantastischsten, so sagt man, sind wahr - denn selbst wenn sie nicht wirklich geschehen sind, war der Baal Schem Tov in der Lage, sie geschehen zu lassen.
Aber es gibt zumindest eine Legende, die nicht wahr ist. Und diese ist wahrscheinlich auch die beliebteste. Es ist die Moderne Jüdische Legende vom Baal Schem Tov.
Um die Moderne Jüdische Legende vom Baal Schem Tov wirklich verstehen zu können, muss man zuerst die Moderne Jüdische Legende vom Judentum verstehen. Judentum, wissen Sie, ist sehr nett. Es dreht sich alles um humanitäre Einstellung, Ethik und die Familie.
Der Baal Schem Tov passt da also recht gut hinein. Er erzählte liebe Geschichten, er rief den Menschen ein jiddisches „Don’t worry, be happy” entgegen und er gab den Menschen eine Menge Lebensfreude und Selbstvertrauen, indem er ihnen versicherte, dass das Wichtigste ist, glükklich zu sein und es aufrichtig zu meinen.
Diese ganze Legende ist, wie ich bereits erwähnte, sehr nett. Denn - wer könnte etwas gegen humanitäre Gesinnung, Lebensfreude und Nett-Sein haben? Kein einziger guter Bürger des modernen Europa, soviel ist klar. Man könnte das politisch korrektes Judentum nennen - voll ausgestattet mit einem politisch korrekten Baal Schem Tov.
Doch wie kam es zum politisch korrekten Judentum? Das ist eine schmerzvolle Geschichte: Es gab eine Zeit, als Mystik als irrational, bizarr und archaisch betrachtet wurde; gewiss nicht etwas, womit sich der angesehene, moderne Mensch abgeben möchte. Eine Clique von vorgeblich „emanzipierten” und „aufgeklärten” Juden brandmarkten die mystischen Lehren des Judentums, die Kabbala. Sie nannten den Sohar ein „Buch der Lügen”. Sie setzten das Gerücht in die Welt, die Kabbala sei ein Hirngespinst einiger Randgruppen und nähre sich aus fremden, heidnischen Wurzeln. Sie gingen so weit zu behaupten, dass Juden niemals an die mystische Einheit mit der unendlichen G-ttheit geglaubt hätten, an Reinkarnation, ein Leben nach dem Tod, Meditation und ähnliches.
Der Baal Schem Tov und die chassidische Bewegung waren ein großer Dorn in den Augen dieser politisch korrekten Juden. Zu arg drauf. Und viel zu beliebt.
Zuerst versuchten sie zu behaupten, der Baal Schem Tov habe nie exisitiert. Als sich das als so glaubwürdig wie die Verneinung der Existenz von W.A. Mozart herausstellte, machten sie sich an die Schaffung einer neuen Mythologie, die alles, was die Chassidischen Meister jemals gelehrt hatten, völlig entstellen würde.
Und so wurde der nette Baal Schem Tov geschaffen. Ein Volksmärchen, ein Robin Hood mosaischen Glaubensbekenntnisses.
Und so kam es, dass eine Generation von Juden heranwuchs, für die Judentum und Spiritualität zwei verschiedene Welten waren. Das Judentum wurde zu einer sozialen Funktion mit einigen sinnentleerten Ritualen degradiert, und wenn jemand nach befriedigenden Antworten, nach ein bisschen - ja, wir geben es zu - Spiritualität suchte, wurde er schief angeschaut. „Juden glauben nicht an diese Sachen” wurde ihm gesagt. Und wenn sie einmal daran geglaubt haben - tut uns leid, wir können Dir dazu nichts erzählen. Nur über humanitäre Gesinnung und den Kampf gegen jede Form des Rassismus. Nichts über Seelen.
Und so landeten viele junge Juden am anderen Ende des Planeten, um dort ihre geistigen Bedürfnisse zu stillen. Sie waren auf der Suche nach dem, was ihre Großeltern zurückgewiesen hatten und worin deren Vorfahren geschwelgt hatten: Nahrung für die Seele, bekannt auch als M-y-s-t-i-k.
Genug getobt und gelärmt. Hier sind die trockenen Fakten:
Kabbala ist so zentral fürs Judentum wie die Sonne fürs Sonnensystem, wie das Herz für den Körper, wie Human Liberty für Amerika.
Das Judentum beginnt mit einem mystischen Erlebnis erster Klasse am Berg Sinai, wo wir „die Stimmen sahen und das Sehbare hörten”, und endet mit der mystischen Harmonie der gesamten Schöpfung mit ihrem Schöpfer. Alles dazwischen ist ein Versuch, die erste mystische Offenbarung zu absorbieren, um die letzte zu erreichen.
Abraham, Isaak und Jakob waren Mystiker (okay, erklären Sie mir, dass jemand, der mit Engeln spricht, kein Mystiker ist), die Meditation praktizierten und dadurch g-ttliche Offenbarungen erhielten. Moses war ein Mystiker. Die Propheten - Mystiker. Die Weisen des Talmud waren Mystiker, wie klar erkenntlich ist aus vielen darin erzählten Begebenheiten. Jeder klassische Versuch, tiefe Konzepte des Judentums zu erklären, hat sich mystischer Terminologie bedient.
Die großen Meister der Halacha (Jüdisches Gesetz), vor allem Rav Josef Karo, der den Schulchan Aruch verfasste und Rav Mosche Isserles, der ihn für die Aschkenasim adaptierte, verfassten auch kabbalistische Werke. Es war der Wilner Gaon, der schrieb: „Ein Rabbiner, der eine halachische Entscheidung ohne Verständnis der Kabbala zu treffen versucht, wird fehlgehen.”
Wir sehen also - Kabbala ist die offizielle Theologie des Judentums. Halacha ist der Körper, Kabbala ist die Seele. So wie man den Körper nicht verstehen kann, ohne die innere Psyche, die ihn füllt, in Betracht zu nehmen, so kann man auch Bedeutung und den Sinn der Halacha nicht ohne ein Wissen um die Kabbala verstehen.
Nun zurück zum Baal Schem Tov: Zu sagen, dass der Baal Schem Tov ein einfacher Bauernbub war, der eine beliebte Volksbewegung schuf ist so ähnlich, als würde man sagen, dass die europäische Demokratie das Produkt einiger Mundl-Typen ist, die genug hatten von der hochtrabenden Schnöselei der Aristokratie.
Es ist erstaunlich, dass sich so viele Autoren nie einer simplen Frage stellten - kann es denn sein, dass der Lehrmeister von solchen Geistesgrößen wie Rabbi Jakob Josef von Polnoye, Dov Ber von Mesritsch und Pinchas von Koritz selbst auf niedrigerem intelektuellem Niveau stand?
Er war seit seiner frühen Jugend mit einer Gruppe von „verborgenen Zaddikim” involviert - das waren Gelehrte des Talmud und der Kabbala, die inkognito umherreisten, um die jüdischen Gemeinden in Osteuropa wiederzubeleben, die noch ihre Wunden leckten nach den tragischen Progromen von 1648-49.
Das meiste von dem, was der Baal Schem Tov lehrte, kann zu den Ideen der lurjanischen Kabbala zurückverfolgt werden. Was der Baal Schem Tov hinzufügte, war ein intelektueller Sprung, wie er überragendes Genie charakterisiert - Genie, das akzeptierte Konventionen und Normen missachtet. Was Albert Einstein in der Physik und Beethoven in der Musik war - und viel, viel mehr - das war der Baal Schem Tov für die menschliche Seele.
Es gab andere Mystiker vor dem Baal Schem Tov, die sich mit dem einfachen Mann abgaben. Aber ihr Leben war eine Dichotomie: Das Studium der mystischen Werke war eine Welt, und der Kontakt mit dem einfachen Volk eine andere - beeinflusst zwar von der Mystik, aber sehr, sehr weit entfernt.
Der Baal Schem Tov kam und sagte: Dies sind nicht zwei Welten. Sie sind aufs Engste verbunden. Die Kabbala hat so viel zu tun mit dem heiligen Asketen wie mit dem einfachen Erdäpfelbauern, der G-tt mit all seinem Herzen dient. Und die Wahrheit ist, dass im einfachen Menschen die endgültige, ultimative Einfachheit des Unendlichen G-ttes am kräftigsten zum Ausdruck kommt.
G-tt - sagte der Baal Schem Tov - ist dem heiligen Asketen ebenso nahe wie dem einfachen Menschen, der G-tt mit all seinem Herzen dient. Und die Wahrheit ist, dass im einfachen Menschen die ultimative Einfachheit des Unendlichen G-ttes am kräftigsten zum Ausdruck kommt.
Wie man in den himmlischen Sphären auf diese bahnbrechenden Einsichten reagierte, lesen Sie in diesem Exklusiv-Bericht - vom Baal Schem Tov selbst verfasst:
An meinem 16. Geburtstag, dem 18. Elul 5474 (1714), hielt ich mich in einem kleinen Dorf auf. Der Gastwirt war ein Jude von reinster Einfachheit. Er kannte seine Gebete nur mit Mühe - er hatte keine Ahnung, was die Worte bedeuteten. Aber er hatte enorme Ehrfurcht vor seinem Schöpfer und alles, was ihm geschah, kommentierte er mit den Worten: „Gepriesen sei Er, und möge Er für immer und ewig gepriesen sein.” Seine Frau hatte einen anderen Ausspruch, sie sagte: „Gepriesen sei Sein heiliger Name.”
An diesem Tag ging ich in die Wiesen, um zu meditieren, wie von den Weisen vor uns gelehrt wurde, dass man an seinem Geburtstag für eine längere Zeit alleine meditieren solle. In meinen Meditationen rezitierte ich Psalmen und vertiefte mich in die Jichudim1 des g-ttlichen Namens.
Als ich darin vertieft war, verlor ich das Bewusstsein für das, was um mich vorging. Plötzlich erblickte ich den Propheten Elijahu vor mir - und ein Lächeln zog sich über seine Lippen. Ich war sehr überrascht, dass ich die Ehre einer Offenbarung von Elijahu haben sollte, während ich alleine war. Wenn ich mit dem Zaddik Reb Meir, und auch mit anderen verborgenen Zaddikim war, hatte ich das Glück gehabt, Elijahu den Propheten zu sehen. Aber dieses Privileg zu erfahren, während ich alleine war - das war das erste Mal und ich war wirklich verblüfft. Verständlichwerweise war ich nicht in der Lage, das Lächeln an seinem Antlitz zu interpretieren.
Und das ist, was er mir sagte:
„Siehe, du bemühst dich unter großen Anstrengungen um Konzentration auf die g-ttlichen Namen, die aus den Versen der Psalmen hervorgehen, die David, König Israels, verfasst hat. Aber Aron Schlomo der Gastwirt und Slota seine Frau wissen nichts über die Jichudim der g-ttlichen Namen, die hervorgehen aus „Gepriesen sei Er, und möge Er für immer und ewig gepriesen sein”, das er sagt und „Gepriesen sei Sein heiliger Name”, das sie sagt - doch diese Jichudim bewirken einen wahren Sturm in allen Welten, und übertreffen bei weitem die Jichudim der g-ttlichen Namen, die von den großen Zaddikim erzeugt werden.”
Dann erzählte mir Elijahu vom Vergnügen, das G-tt hat, sozusagen, von den Preisungen und Danksagungen der Männer, Frauen und Kinder - besonders wenn die Preisungen von einfachen Menschen kommen und vor allem, wenn es laufende, ständige Preisungen sind - denn dann sind sie beständig mit G-tt, gepriesen sei Er, mit reinem Glauben und aufrichtigem Herzen verbunden.
Von dieser Zeit an nahm ich einen Pfad im Dienste G-ttes auf mich - Männer, Frauen und Kinder dazu zu bringen, Worte der G-ttespreisung zu sagen. Ich würde die Menschen stets über ihre Gesundheit, die Gesundheit ihrer Kinder, über ihr wirtschaftliches Wohlergehen fragen - und sie antworteten mir mit verschiedenen Worten des Dankes und der Preisung für den Heiligen, gepriesen sei Er - jeder und jede auf seine und ihre Art.
Mehrere Jahre hindurch tat ich das selbst, und bei einem der Treffen der verborgenen Zaddikim wurde dieser Pfad von allen akzeptiert ...”
Diskutieren Sie mit