Die dieswöchentliche Sidra erzählt uns (Genesis 28, 10-11), dass Jakob die ruhigen und gesicherten Verhältnisse von Beerscheba verließ, wo er seine Tage in Tora-Studium und Gebeten zugebracht hatte, und sich auf den Weg nach Haran machte, zu seinem trügerischen Onkel Laban. Unterwegs, als er sich zum Schlafe niederlegen wollte, richtete er seine Lagerstätte so ein, dass er eine Reihe von Steinen rings um seinen Kopf aufstellte, um sich vor wilden Tieren zu schützen.
Diese Handlungsweise Jakobs wirft eine Frage auf: Wenn er sich vor einem Anfall durch wilde Tiere fürchtete, warum legte er nicht schützende Steine um seinen ganzen Körper? Wenn er jedoch – umgekehrt – auf G-ttes Schutz vertraute, warum brauchte er dann Steine überhaupt – selbst um seinen Kopf?
Für diese Vorsorge Jakobs, sein Haupt zu schützen, kann eine Erklärung in einer chassidischen Auslegung des Verses in Tehillim (Psalm 128, 2) gefunden werden: "Wenn du die Frucht der Arbeit deiner Hände isst, wirst du glücklich sein und es wird dir wohl ergehen." Der Nachdruck liegt hier auf dem Wort "(Arbeit deiner) Hände". Des Menschen Arbeit zu seinem Lebensunterhalt, welche Form diese auch immer annehmen mag, kann in einer der zwei folgenden Weisen vor sich gehen:
Einmal kann es der Hände Werk sein, nämlich dass man physisch arbeitet, mit seinen Händen oder einem anderen Körperteil, der notwendigerweise dafür gebraucht wird, ohne dass man dabei jedoch seine ganze Person in der Arbeit aufgehen lässt. Dann werden Geist und Verstand nicht in Anspruch genommen, und auch während seiner Arbeitszeit ist es ihm oft möglich, seine Gedanken auf solche Dinge zu Lenken, die ihn innerlich wirklich berühren.
Die zweite Art ist "Arbeit mit dem Kopfe", das heißt, dass all sein Denken ausschließlich auf seine Geschäfte gerichtet ist. Ein solcher Mensch hat dabei keine Zeit für Familie, Freunde, nicht einmal für sich selbst; seine ganze Persönlichkeit geht völlig in seinen Geschäften auf.
Jakob wusste genau, dass er den Jeschiwa-Einfluss von Beerscheba hinter sich ließ, ein Leben von Tora-Studium und Gebeten, ein geweihtes und geheiligtes Leben, und auf dem Wege zu radikal entgegengesetzten Verhältnissen war. Er sollte Labans Schafhirt werden, er sollte ständig, Tag und Nacht, mit dieser Arbeit beschäftigt sein. Wie er es später selbst ausdrückte (Genesis 31, 40): "... bei Tage verzehrte mich die Dürre, und die Kälte bei Nacht; und der Schlaf floh von meinen Augen". Deshalb war Jakob bemüht, sein Haupt zu schützen, das heißt, Vorsehung zu treffen, dass er sich nicht gänzlich in seiner Arbeit verlieren möge sondern sein Denken frei halten könne, so dass es sich doch weiterhin mit höheren Dingen abgeben könne, mit Tora-Studium und Gebeten, die ihm so teuer waren.
Rabbi Samuel von Lubawitsch, seligen Andenkens legte seinen Anhängern nahe (Sefer Hatoldot Maharasch, S. 69), sich in ihren Gedanken mit der Tora abzugeben, auch unterwegs auf der Straße. Ein Geschäftsmann fragte den Rebbe sehr erstaunt, wie eine so schwierige Sache menschlich überhaupt möglich sei. Der Rebbe erwiderte: "Wenn man an seine Geschäfte auch während der 'Schmone Esre' (das ist das leise Achtzehngebet) denken kann ..., dann kann man bestimmt auch an Tora und Gebete auf der Straße denken!"
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