Die dieswöchige Sidra Wajeze wird mit dem Vers eingeleitet (Genesis 28, 10): "Und Jakob zog aus von Beerschewa und ging nach Charan." Wie Raschi z. St. bemerkt, wiederholt dieser Vers und fasst zusammen, was schon am Schluss der vorhergehenden Sidra berichtet worden ist.
Alles in der Tora ist mit Genauigkeit gesagt; nichts ist überflüssig. Zahlreiche Vorschriften lassen sich manchmal aus einem einzigen, scheinbar "überflüssigen" Buchstaben ableiten. Hier wird sogar ein ganzes Thema nochmals aufgegriffen; und darin muss daher eine Botschaft enthalten sein, die wesentliche Bedeutung für alle Zeiten und Orte hat, unsere eigene Zeit eingeschlossen, denn die Tora ist zeitlos.
Die Tora legt zwei Erklärungen des Namens Beerschewa vor (Genesis 21, 31 und 16, 33, s. auch Sipporno z.St.): einmal nach dem Schwur des Bundes zwischen Abraham und Abimelech, und zum zweiten nach der siebten Quelle, die nach Isaaks Friedensschluss mit Abimelech dort gegraben wurde. Aus beiden Erklärungen des Namens Beerschewa ist zu entnehmen, dass darin ein Zustand von Frieden und Ruhe für Israel angedeutet ist. Der Name Charan dagegen – der Platz, zu dem Jakob sich begab – zeigt das genaue Gegenteil an, wie unsere Weisen es erläutert haben (s. Raschi zu Genesis 11, 32), nämlich den "grimmigen Zorn (hebr. Charon Af) der Welt".
Es gibt Leute, die sich mit einem Problem abplagen, wie folgt: Der Ewige hat uns die Tora und die Mizwot "aus vollem und breitem Herzen" gegeben. Bei jeder Gelegenheit gilt es, entweder ein positives Gebot zu erfüllen, mit all seinen Ableitungen, oder aber wir müssen uns vor einer Übertretung eines der 365 Verbote und deren Ableitungen hüten. Zumindest hätte da G-tt doch all unsere Unruhen und Sorgen von uns fernhalten sollen – die Unruhe von Exil, die Sorge um das tägliche Brot usw. –, damit es so uns leichter gemacht würde, all diese Gebote einzuhalten! Nein, wir sollten eigentlich von allen alltäglichen Lasten frei sein, so dass wir viel mehr Zeit im Zelte der Tora verbringen könnten.
Da nun zeigt uns die Tora Verfahren und Handlungsweise eines Jakob, das ist die Handlungsweise Israels in einem Zustand von Reinheit, anders als die übrige Welt: "Nicht wie Abraham, der den Ischmael zeugte, auch nicht wie Isaak, der den Esau zeugte, sondern wie Jakob, der die zwölf Stämme hervorbrachte, denen kein Makel anhaftete" (s. Talmud, Schabbat 146a, auch Sifri zu Deut. 32, 9).
Und doch – bevor Jakob heiraten sollte, also bevor er das Haus Israel errichten durfte, wurde ihm geheißen, aus Beerschewa fortzugehen, auch die Jeschiwot von Schem und Ewer zu verlassen, um sich nach Charan zu begeben, dem "grimmigen Zorn der Welt". Man hätte verbleiben sollen, dort nämlich, wo es verhältnismäßig leicht fiel, Mizwot zu tun, und schwer, Sünden zu begehen. Aber nein, im Gegenteil, gerade um das Haus Israel aufzubauen, musste er Beerschewa verlassen und nach Charan kommen, zu einem Orte, an dem G-ttes Gegenwaft sich nicht in breiter Öffentlichkeit manifestierte.
Die Lehre für jeden von uns ist klar: Nur wenn man den schweren Versuchungen der Welt ausgesetzt ist und diese meistert, ist es möglich, ein jüdisches Haus zu errichten, welches voller Wärme ist, und diese auch ausstrahlt. Noch mehr: .Als Jakob sich auf den Weg nach Charan machte, da war seine erste Tat das Beten (Genesis 28, 11: "wajifga", traditionell verstanden als "er betete").
Man hätte meinen können, das erste, das er zu tun gedachte, hätte darin bestanden, eine Frau zu finden, die Sprache und die Gebräuche der Gegend zu lernen, sich der örtlichen Mode entsprechend zu kleiden, usw. Für Jakob aber war all dies nicht Priorität; zu allererst beschäftigte er sich mit dem Beten, dem G-ttesdienst. Und auch dies enthält eine klare Lehre für alle Geschlechter und Zeitalter, für jeden, der sich daran macht, ein Haus in Israel zu gründen. Die Prioritäten müssen die richtigen sein, wie Jakob hier den Präzedenzfall gesetzt hat.
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