Die Bestimmungen über Sota, die in diesem Wochenabschnitt besprochen werden, betreffen eine verheiratete Frau, die eines Fehltrittes mit einem anderen Manne verdächtigt wird. Ihr eifersüchtiger Gatte hatte sie gewarnt: "Verstecke dich nicht mit jenem Menschen, halte dich nicht mit ihm allein auf." Doch sie gehorchte nicht, sie "versteckte" sich, und so wurde sie zu einer Sota, zu einer Frau unter Verdacht. Die Sidra erklärt das Verfahren, wonach ihre Schuld entweder bewiesen oder widerlegt wird (Num. 5, 12-31).

Oft haben unsere Weisen das Verhältnis zwischen G-tt und dem jüdischen Volke mit der Ehe verglichen. Wenn ein jüdischer Mann unter dem Heiratsbaldachin die Ehe eingeht, richtet er an seine Braut die Worte: "So sei du mir denn geheiligt ..." Dieser Ausdruck "geheiligt" bedeutet, dass fortan die junge Ehefrau allen anderen versagt und einzig ihrem Gatten bestimmt ist. Wenn wir – ganz ähnlich – ein Gebot erfüllen und den Segensspruch aussprechen: "... Der uns geheiligt hat durch Seine Gebote ...", so meinen wir damit, dass auch wir allen anderen untersagt und allein dem Einen gewidmet sind, der uns heiligt. Die "Hochzeit", die G-tt und sein Volk verband, fand am Berge Sinai statt; durch Tora und Gebote wurden wir G-tt zugesprochen, so wie eine Ehefrau ihrem Ehegatten.

Nachdem also das Verhältnis zwischen dem Ewigen und Israel mit der jüdischen Ehe verglichen wird, folgt daraus, dass der Begriff der Sota darin ebenfalls sein Gegenstück finden muss. Des Ewigen "Eifersucht" und Seine Warnung, sich nicht "mit einem anderen Manne zu verstecken", kommt in den Zehn Geboten klar zum Ausdruck: "Du (im Singular, zu jedem Einzelnen gesprochen) sollst keine anderen Götter vor mir haben." Solltest du ungehorsam sein und dich "verstecken", dann kommst du unter Verdacht – du wirst zu einer Sota.

Allerdings ist es schwer zu verstehen, wie man sich vor G-tt verstecken kann. Ungleich einem sterblichen Ehegatten ist der Ewige doch überall: "Es gibt keinen Ort, wo Er nicht gegenwärtig ist" (Tikkune Sohar, S. 91b). Wo immer sich ein Mensch zu verbergen sucht, er bleibt für G-tt sichtbar. In den Worten Jeremias: "Im jissater isch bemisstarim – falls ein Mensch sich in Verstecken verbirgt – wa'ani lo erenu – würde Ich ihn nicht sehen? – n'um Haschem – sagt G-tt" (Jeremia 23, 24). (Siehe auch Psalm 139, 7-12). Was bedeutet es in Wahrheit, wenn sich ein Jude vor seinem Schöpfer zu verstecken sucht?

Der Baal Schem Tov, der Begründer des Chassidismus vor über 200 Jahren, beantwortete diese Frage mit der folgenden Auslegung von Jeremias Worten:

Im jissater isch bemisstarim wa'ani: Falls ein Mensch sich in Verstecken verbirgt, dadurch dass er ein "Ich" wird (das heißt: ein Egoist, der nur mit sich selbst beschäftigt ist) –m

Lo erenu n'um Haschem: Dann werde Ich ihn in der Tat nicht "sehen", sagt G-tt. Das bedeutet: Der Ewige "sieht" nicht den Hochmütigen und Stolzen; seine Anmaßung, sein Egoismus verbirgt ihn von G-tt. Und so ist G-ttes Gegenwart tatsächlich nicht bei dem Stolzen, wie es auch heißt: "Ich und er können nicht zusammen verweilen" (Talmud Sota 5a).