In unserem Wochenabschnitt warnt uns die Thora, unseren Nächsten zu berauben: Du sollst deinen Nächsten nicht bedrücken und nicht berauben.1 Raub gilt als eine derart schwerwiegende Sünde, bis Rambam den Raub mit Mord vergleicht: „Wenn man seinen Mitmenschen um bereits wenige Groschen beraubt, ist es so, als würde man ihm seine Seele nehmen.“2 Rambam sieht nur den Raub als ein so strenges Vergehen, nicht aber den Diebstahl, obwohl in beiden Fällen der Besitz anderer entwendet wird.
Auch Stehlen ist eine große Sünde, wird aber nicht, wie Raub, mit Mord verglichen – warum? Der Dieb erkennt das Besitzrecht seines Mitmenschen über seine Habseligkeiten an. Deshalb wagt er es nicht zu stehlen, wenn der Besitzer vor ihm steht, sondern tut dies im Geheimen.
Der Räuber hingegen enteignet den Besitzer vor seinen Augen und oft mit Gewalt. Dadurch verletzt er einen zentralen Punkt in der Seele des Menschen, nämlich sein Besitzrecht und dies gleicht, als würde der Räuber ihm seine Seele nehmen. (Deshalb hängt der Mensch so sehr an seinen Habseligkeiten.)
Kein Raubgut
Die Wiedergutmachung dieser schwerwiegenden Sünde ist ein Gebot der Thora: Er soll das Raubgut, das er entwendet hat, zurückbringen.3
Wenn der Räuber möchte, dass ihm seine Sünde vergeben wird, muss er den geraubten Gegenstand seinem Besitzer zurückgeben. Dadurch „gibt er ihm seine Seele zurück“ und korrigiert die Sünde, welche „ihm seine Seele nahm“.
Was ist aber, wenn der geraubte Gegenstand nicht mehr zurückgegeben werden kann, weil er nicht mehr existiert? Dazu schreibt Rambam: „Unsere Gelehrten haben angeordnet: Wenn der Räuber Tschuwa tun will, doch das Raubgut nicht mehr existiert und er nun von sich aus Geld im Wert des Raubguts dem Besitzer geben möchte, soll man das Geld nicht annehmen und ihm verzeihen, denn der Räuber will auf den richtigen Weg zurück und wir dürfen ihm das nicht erschweren.“4
Echte Reue
Die Erklärung dazu: Solange der Räuber das Raubgut zurückgeben kann, muss er dies tun, denn dadurch macht er den schlimmen Schaden durch den Raub – „das Nehmen der Seele“ – wieder gut. Doch wenn das Raubgut nicht mehr existiert, ist dieser Schaden nicht mehr gut zu machen. Bestenfalls kann der Räuber den Besitzer nur entschädigen.
In einer solchen Situation ordneten die Gelehrten an, keine Entschädigung anzunehmen. Denn der Räuber ist reuig, da er doch von selbst kommt, um den Besitzer mit Geld zu entschädigen. Durch sein mutiges Vorhaben beweist er, dass er seine Sünde einsieht und das Besitzrecht des Geschädigten anerkannt hat. Hätte er das Raubgut noch, würde er es zurückgeben und somit wäre seine Sünde korrigiert. Doch da es nicht mehr existiert, korrigiert bereits sein reuiges Verhalten seine Sünde. Deshalb ordneten die Gelehrten an, dass die Zahlung von Entschädigungsgeldern keine Hürde für den reuigen Räuber sein darf.
Für Profit? – Sogar bei Verlust!
Aus dieser Vorschrift lernen wir, wie sehr man sich doch darum bemühen muss, dem Mitmenschen zur Tschuwa zu verhelfen. Die Gelehrten setzten fest, dass man sogar auf Entschädigungsgeld verzichten soll, um anderen den Weg zurück zu G-tt zu erleichtern; umso mehr muss jeder eine alles in Bewegung setzen, um seine jüdischen Mitmenschen zu ihrem Vater im Himmel zurückzuführen!
Aktivitäten in dieser Richtung dürfen nicht von Eigenprofit befleckt sein, sei es Profit in dieser Welt oder sogar in der kommenden Welt. Der einzige Sinn dahinter soll nur sein, den Juden G-tt näher zu bringen, auch wenn die Beschäftigung damit zu „Verlusten“ führt!
(Likutej Sichot, Band 32, Seite 112)
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