G-tt hat uns 613 Vorschriften (Mitzwot) auferlegt. Die Gelehrten ihrerseits haben sieben Vorschriften, wie Netilat Jadaim (rituelles Händewaschen) und Schabbatkerzen, hinzugefügt. Ein Jude, der sich also an alle Vorschriften hält, gilt als vollkommener G-ttesdiener, dem man nichts bemängeln kann.
In unserem Wochenabschnitt sagt die Thora jedoch: Heiligt euch und seid heilig!1 Darauf erklären unsere Meister: „Heilige dich in den Dingen, die dir erlaubt sind.“2 D.h. auch in jenen Sachen, die der Jude laut dem Thoragesetz tun darf, soll er sich heilig verhalten. „Heilig verhalten“ bedeutet, sich davon abzusondern.
Es ist nicht genug, dass der Jude alle Vorschriften erfüllt, die ihm geboten werden. An ihm liegt es von sich aus, gewisse Dinge zu meiden, obwohl sie eigentlich erlaubt wären. Wenn er sieht, dass sein Herz eine gewisse, materielle Sache sehr begehrt (obwohl sie an sich erlaubt ist), muss er seinen Drang beherrschen, auch wenn nur teilweise, um sich zu heiligen.
Ein chassidisches Sprichwort sagt: „Was verboten ist, ist verboten. Was erlaubt ist, ist überflüssig (oder zumindest mit Vorsicht zu genießen).“3
Störfaktor
Warum aber ist es notwendig, sich zu heiligen? Sind denn die Vorschriften der Thora und der Gelehrten nicht ausreichend?
Tatsächlich steckt hinter der Anweisung „Heilige dich in jenen Dingen, die dir eigentlich erlaubt sind“ eine große Sache. Einer der Gründe für die Mitzwot liegt darin, die Seele des Menschen zu reinigen und G-tt näher zu bringen. Indem der Jude Thora lernt, betet und die Mitzwot erfüllt, stärkt er die guten Seiten seiner Seele, wird lauterer und heiligt sich. Doch wie wird dies am besten erzielt – indem man sich in den erlaubten Dingen heiligt!
- Ein großer Störfaktor bei der Reinigung der Seele, sind die Begierden des Menschen, die ihn immer nach unten ziehen. Begierden gibt es nicht nur bei Verboten, wie unkoscheres Essen. Der Jude kann auch glattkoscheres Essen aus reiner Begierde essen. Um seinen Begierden Herr zu werden, reicht es nicht aus, die Mitzwot zu erfüllen, z.B. nur koscher zu essen. Man muss sich da nur am Anfang überwinden, bis koscher essen zur Gewohnheit wird. Die Begierden haben dann jedoch im Koscherbereich wieder freien Lauf. So wie sie immer wieder erwachen, muss auch die Überwindungskraft gegen sie am Leben gehalten werden. Und dies geht nur, indem man die Anweisung befolgt: „Heilige dich in jenen Dingen, die eigentlich erlaubt sind“.
- Wenn man nur das tut, was vorgeschrieben ist, gibt es keine Garantie dafür, dass die Beweggründe auch ehrlich sind. Man vollbringt zwar die Mitzwot, doch eher weil man muss, als dass man auch wirklich will. G-tt hat es geboten, wie kann man sich auch gegen Ihn wenden. Der Jude will womöglich etwas anderes, tut dies aber nicht, um die Gebote G-ttes zu erfüllen. D.h. die Mitzwot verändern zwar das Verhalten des Juden, doch sein Inneres bleibt womöglich unverändert und er macht es nur, weil er keine Wahl hat (denn er traut sich nicht gegen G-tt zu gehen).
Ehrlich sein
Wenn jedoch der Jude auf weltliche Dinge (etwas) verzichtet, die eigentlich erlaubt sind, um sich zu heiligen, ist das ein Beweis dafür, dass ihm die G-ttesnähe wirklich wichtig ist und er nicht nur die Mitzwot erfüllt, weil er muss. Dies zeigt eindeutig, dass er auch in seinem Inneren mit G-tt ist und nicht nur mit seinen Verhalten. Denn dort, wo dem Menschen die Wahl gegeben wird, selbst zu entscheiden, zeigt sich, was er wirklich möchte.
Deshalb erreicht die Seele ihre größte Reinheit und Nähe zu G-tt, indem der Mensch sich in den erlaubten Dingen heiligt. Dann meint er es ehrlich mit der Thora und will sie von sich aus erfüllen!
(Likutej Sichot, Band 1, Seite 256)
Diskutieren Sie mit