Am Ende unseres Wochenabschnitts ordnet G-tt Mose an: Steige auf diesen Grenzberg, den Berg Nebo und dort sollst du sterben.1 Die Thora erwähnt, dass G-tt Mose diesen Befehl „mitten am Tag“ gab. Mose erhielt viele Befehle von G-tt, doch niemals erwähnte die Thora, dass sie „mitten am Tag“ erfolgten. Deshalb erklärt Raschi, was es damit auf sich hat:2 Die Thora will damit andeuten, dass G-tt mitten am Tag Mose von dieser Welt nehmen würde. Denn die Kinder Israels wollten Moses Tod nicht zulassen. „Denn wie können wir denjenigen gehen lassen, der uns aus Ägypten geführt, das Meer gespalten und uns das Himmelsbrot gegeben hat?“, argumentierten sie. Darauf erwiderte G-tt, dass Er Mose mitten am Tag in Gegenwart aller von dieser Welt nehmen würde und wer die Macht hat dies zu verhindern, soll kommen.

Wie kam den Kindern Israels überhaupt in den Sinn den Tod Moses zu verhindern? Wie kann ein Mensch G-tt daran hindern, einen anderen Menschen von dieser Welt zu nehmen?

Die Absicht der Kinder Israels war es, den Aufstieg Moses auf den Berg Nebo zu verhindern, denn er sollte erst auf dem Berg sterben. Indem sie Mose daran hinderten auf den Berg zu steigen, würde das Urteil über ihn, in der Wüste zu sterben, abwendet werden, dachte sie.

Sei nicht undankbar!

Allen Anschein nach versuchten die Kinder Israels gegen G-tt zu rebellieren. Er befahl Mose auf den Berg zu steigen, um dort zu sterben und sie entschieden sich dazu, ihn daran zu hindern. Wie waren sie nur dazu in der Lage? Sie waren doch alle vollkommene Gerechte, über die in der Thora geschrieben steht: Ihr, die an G-tt, euren G-tt, hängt!3

Die Kinder Israels hatten folgenden Gedanken: Die Thora verbietet es undankbar zu sein. Da Mose für uns so viel getan hat, sind wir laut dem Thoragesetz dazu verpflichtet, alles für ihn zu tun, sogar seinen Tod zu verhindern. Den Befehl, dass Mose auf den Berg Nebo steigen sollte, hörte nur Mose von G-tt und nicht wir. Wenn wir deshalb Mose daran hindern auf den Berg zu steigen, rebellieren wir nicht gegen G-tt. Und vielleicht will uns G-tt sogar damit andeuten, dass durch unsere Bemühungen für Mose, das Urteil über ihn in der Wüste zu sterben, aufgehoben werden kann.

Moses Tod zum Besten Israels

So betrachtet, hatten die Kinder Israels gar nicht vor sich gegen G-tt zu richten. Sie dachten sogar, dass in Wirklichkeit auch G-tt ihrer Absicht zustimmte – das Urteil über Mose abzuwenden – und dies sogar von ihnen erwartete und es nur deshalb nicht kundtat, um ihre Liebe zu Mose zu testen.

Außerdem ist einem Juden und umso mehr dem ganzen jüdischen Volk die Kraft gegeben, auch bereits besiegelte Urteile aufzuheben – durch die Tschuwa, das Gebet und die Wohltätigkeit.4

Doch im Fall von Mose konnten die Kinder Israels nichts mehr unternehmen und er wurde von dieser Welt genommen. Wir müssen davon ausgehen, dass das Ableben von Mose zum Besten der Kinder Israels war. Ansonsten hätte G-tt sicherlich ihre ehrlichen Bemühungen für Mose nicht ignoriert.

Die Möglichkeit der Rückkehr

Warum musste nun Mose wirklich in der Wüste sterben, trotz allen Bemühungen der Kinder Israels? Inwiefern war dies zum Besten der Kinder Israels? – Weil G-tt wusste, dass die Kinder Israels sündigen werden und die einzige Rettung vor der Vernichtung die Vertreibung aus dem Heiligen Land wäre. Deshalb war es notwendig, dass Mose in der Wüste stirbt und nicht ins Heilige Land eintritt.

Die Erklärung dazu liegt im Talmud,5 der schreibt, dass Moses Werke ewiglich sind. Würde er mit den Kindern Israels in das Heilige Land kommen und sie dort ansiedeln, wären sie im Land für die Ewigkeit sesshaft gewesen und würden nie in die Galut (Exil) gehen. Das ist an sich gut, doch was, wenn die Kinder Israels sich versündigten? G-tt könnte sie dann aus Strafe nicht in die Galut schicken, sondern „müsste“ sie ihrer schweren Sünden wegen vertilgen, wie Er es in Seiner Thora angedroht hatte.6 Durch den Tod Moses in der Wüste wurde die Galut möglich – und von ihr gibt es eine Rückkehr, sobald der Maschiach kommt und uns aus der Galut erlöst!

(Likutej Sichot, Band 19, Seite 339)