In unserem Wochenabschnitt veranschaulicht uns die Thora die Bindung zwischen G-tt und dem jüdischen Volk anhand eines Gleichnisses von einem Seil, an dessen einem Ende G-tt festhält und an dem anderen der irdische Mensch.
Rabbi Schneor Salman von Liadi erklärt1, dass das bindende Element („Seil“) zwischen G-tt und dem Menschen die Seele ist. Solange das „Seil“ stark ist, ist auch die Bindung zwischen G-tt und dem Menschen stark und spürbar. Doch das „Seil“ kann auch beschädigt sein, und zwar durch Sünden und Missetaten. Dann ist auch die Bindung zwischen G-tt und dem Menschen angetastet, je schwerwiegender die Sünde, desto größer der Schaden an dieser Bindung.
Abtrennung
Wie groß der Schaden durch die Sünde ist, erklärt Rabbi Schneor Salman auch anhand des Gleichnisses vom „Seil“, und zwar aus zwei Gesichtspunkten. Zuerst sagt Rabbi Schneor Salman, dass das „Seil“ (die Seele) aus 613 Striemen geflochten ist (wie die Seele auch 613 spirituelle Glieder hat, welche für die 613 Vorschriften stehen). Wenn ein Jude eine Sünde begeht, reißt er jenen Striemen seines „Seils“ ab, welcher für jene Vorschrift steht, die er übertreten hat. Der Schaden durch den zerrissenen Striemen wirkt sich auch auf das gesamte Seil aus und schwächt somit die Bindung zwischen G-tt und dem Juden.
Die Sünden, welche Karet („Abtrennung“) zur Folge haben, sind besonders schwerwiegend. Denn wenn ein Jude eine solche Sünde begeht, zerreißt er das gesamte „Seil“ und trennt sich von G-tt völlig ab. Zur Zeit des Tempels hat sich diese seelische Trennung von G-tt sogar in der Verkürzung des physischen Lebens ausgedrückt.
Hinabziehen
In seiner zweiten Erklärung zum Gleichnis des „Seils“ und welchen Schaden eine Sünde bewirken kann, erläutert Rabbi Schneor Salman, dass bei einem Seil „ein Ende unten und das andere Ende oben sei“, und indem der Mensch an dem unteren Ende in eine gewisse Richtung zieht, das obere Ende dorthin mitgezogen wird. Und darin liegt die schwerwiegende Konsequenz einer Sünde: Wenn ein Jude eine Sünde begeht und seine Seele dem Schlechten zuwendet, zieht er dadurch „das obere Ende des Seils“, das doch G-tt festhält, mit sich nach „unten“. Nun ist nicht nur er von der Sünde beschmutzt, sondern er zieht auch G-tt in den Dreck.
Allerdings scheint es einen Widerspruch zwischen den zwei Erklärungen von Rabbi Schneor zu geben. Laut der ersten Erklärung trennt die Sünde das „Seil“ ab; die Bindung zu G-tt existiert nicht mehr. Doch der zweiten Erklärung zufolge bleibt das „Seil“ nicht nur nach der Sünde beständig, sondern sogar während der Sünde kann der Mensch das obere Ende des Seiles nach unten ziehen?
Zwei Stufen
Die Erklärung dazu lautet, dass es bei der Bindung des Menschen zu G-tt, welche mit einem Seil verglichen wird, zwei Stufen gibt. Die Bindung auf der niederen Stufe kann von Sünden angegriffen werden, sodass diese das Seil gänzlich zerreißen könnten; dies ist die Abtrennung des Juden von G-tt.
Doch die Bindung zu G-tt auf der höheren Stufe, die ebenfalls jeder Jude in sich trägt, wenn auch verborgen, ist so stark, dass keine Sünde sie zu schwächen vermag. Über diese Art von Bindung steht geschrieben:2 „Auch zum Zeitpunkt der Sünde bleibt die Seele treu zu G-tt.“ Diese Bindung ist sogar so unzertrennbar, dass der Mensch, wenn er sündigt, selbst G-tt mit nach unten zieht!
Andererseits aber kann man anhand dieser starken Bindung begreifen, weshalb jeder Jude, wie sündhaft er auch sein mag, immer die Kraft hat zu G-tt zurückzukehren! Da er nämlich niemals von G-tt abgetrennt war, sondern ständig eng mit Ihm verbunden, wird seine Seele schließlich erwachen und den Weg zu G-tt zurückfinden!
(Likutej Sichot, Band 9, Seite 215)
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