Der Wochenabschnitt »Toldot« beginnt mit einer scheinbar doppelten Erwähnung: Zunächst heißt es,dass »Jizchak der Sohn des Awraham« war. Und gleich danach geht der Text weiter mit »Awraham zeugte den Jizchak«! Nun wüssten wir ja schon längst aus den vorhergehenden Ereignissen, dass Awraham der Vater von Jizchak war, und wir haben das Prinzip, dass nichts in der Tora überflüssig dasteht. Wenn es hier nochmals – und das gleich doppelt – erwähnt wird, soll uns diese extra Betonung offensichtlich etwas lehren:

Die jüdischen Gelehrten gaben mehrere Erklärungen zu dieser Frage. Eine chassidische Sichtweise geht dabei besonders auf die Art unseres G-ttesdienstes ein. Denn Awraham und Jizchak sind – wie wir aus ihrer Lebensgeschichte erkennen können – Vorbilder für zwei verschiedene Arten unseres Verhältnisses zu G-tt.

Während Awraham den Weg der Liebe und Wohltätigkeit verkörpert, ist Jizchaks Zugang von Ehrfurcht vor G-tt und von Gerechtigkeit geprägt.

Nun gibt es – so erklärt uns chassidische Philosophie – sowohl bei unserer Liebe zu G-tt, als auch bei der G-ttesfurcht zwei Ebenen: eine sogenannte »niedrigere Liebe« und eine »höhere Liebe« und ebenso eine »niedrigere Furcht« und eine »höhere Furcht«.

Was heißt das? Zunächst ist da die »niedrigere Furcht«, die bewirkt, dass man von Fehltaten aus Angst vor Strafe absieht. Hat man sich aber zum Niveau der »höheren Furcht« emporgearbeitet, so steht nicht mehr die eigennützige Angst vor einer Bestrafung im Vordergrund, sondern die Ehrfurcht vor der Größe und Allmacht G-ttes. Der aus Erkenntnis über G-ttes Macht resultierende Respekt hindert einen daran, vor Seinen Augen falsche Dinge zu tun.

Analog verhält es sich mit der Liebe: Auf niedrigerem Niveau gibt die Aussicht auf Lohn für gute Taten das Motiv für das Praktizieren der Gebote ab, die »höhere Liebe« hingegen interessiert sich nicht für den persönlichen Nutzen, sondern ist reines Haften an G-tt – Liebe als Selbstzweck.

So verstehen wir, warum unser Text zweimal Awraham und Jizchak – die beiden Prototypen für G-ttesliebe und G-ttesfurcht – nennt.

Und selbst die Reihenfolge, in der die Namen auftreten, offenbart bei näherer Analyse wichtige Information: Zuerst wird Jizchak genannt, dann Awraham. Im zweiten Anlauf kommt zuerst Awraham dann Jizchak. So verhält es sich auch mit den beiden Ebenen von G-ttesfurcht und -liebe. Zuerst ist da die »niedrigere Furcht« (Jizchak bei der ersten Erwähnung), die Angst vor Strafe und Gericht. Dann entwickelt sich die »niedrigere Liebe« (Awraham bei der ersten Erwähnung). Doch dann geht es nicht symmetrisch weiter, sondern aufbauend auf der »niedrigeren Liebe« gelangt der Mensch zur »höheren Liebe« (Awraham bei der zweiten Erwähnung), der reinen G-ttesliebe ohne eigennützige Hintergedanken. Erst wenn man dort angelangt ist, hat man das nötige Potential um nun auch die »höhere Furcht« (Jizchak bei der zweiten Erwähnung) zu entwickeln. Da die Urväter gleichermaßen für alle jüdischen Seelen als »Väter« gelten, hat jede und jeder in sich diese Fähigkeit, sowohl Liebe als auch Ehrfurcht vor G-tt bis zur höheren Stufe zu entwickeln – und zwar nach dem beschriebenen Muster.