Wenn wir ein Buch der Tora oder des Talmuds beenden, halten wir traditionell ein Sijum ab: Wir feiern den erfolgreichen Abschluss eines Tora-Abschnittes. Es ist Brauch, dass der Schüler oder Feiernde dabei eine Rede hält, die den Anfang mit dem Ende des Buches verbindet und so einen thematischen Leitfaden aufzeigt, der durch das ganze Werk läuft.

Die Parascha Wajechi schließt das Buch Bereschit (Genesis) ab. Welche Verbindung finden wir zwischen dem Anfang und dem Ende des ersten Buches der Tora? Der erste Teil berichtet von der Schöpfung, der Letzte vom Tod Jaakows und von den Kindern Israel in Ägypten.

Was ist die Schöpfung? Nicht nur ein „großer Knall“ oder ein „intelligentes Design“, sondern der Ausdruck eines viel höheren und tieferen Zweckes. Die Mystiker lehren, dass G-tt nicht mit Engeln im Himmel zufrieden war, die ihn lobten. Er wollte irdische Wesen haben, Männer und Frauen aus Fleisch und Blut mit irdischen Leidenschaften und irdischem Temperament, die in einem materiellen Körper lebten und dennoch fähig waren, den spirituellen Sinn des Ganzen zu erfassen. Er wollte menschliche Wesen haben, die allen Ablenkungen der materiellen Ebene ausgesetzt waren, vom Strandurlaub bis zum Schlussverkauf, und sich trotzdem auf das Spirituelle konzentrieren konnten.

Wenn wir unserem materiellen Leben einen spirituellen Wert geben und ein Gefühl für den höheren Sinn, das Schicksal und die Ewigkeit haben, erfüllen wir den ursprünglichen Plan des Schöpfers: Wir bringen den Himmel hinab auf die Erde und bauen in der materiellen, oft groben Welt ein Haus für G-tt.

Dies ist die Verbindung zwischen dem Anfang und dem Ende des Buches Bereschit (Genesis). Im Heiligen Land ein guter Jude zu sein ist das Eine, an den Fleischtöpfen Ägyptens heilig und himmlisch zu bleiben das Andere. Ägypten symbolisierte damals den Niedergang. Da die Kinder Israel dorthin gingen und G-tt dennoch treu blieben, brachten sie den Himmel auf die Erde. Wenn wir in einer moralisch degenerierten Gesellschaft aufrecht und moralisch bleiben, rechtfertigen wir den Plan der Schöpfung und G-ttes Entscheidung, sterbliche Wesen zu erschaffen, die über ihr Leben selbst bestimmen können.

Vielleicht war dies der Grund, warum Jaakow Manasche und Ephraim, die Kinder Josefs, mit den Worten segnete: „Durch euch wird Israel seine Kinder segnen und sagen: Möge G-tt euch wie Ephraim und Manasche machen.“ Das ist der traditionelle Segen, den wir heute noch unseren Kindern erteilen, damit sie wie Ephraim und Manasche werden. Aber warum versprach Jaakow, künftige Juden würden ihren Kindern wünschen, wie Ephraim und Manasche zu sein? Warum nicht wie seine Kinder, die zwölf Stämme Israels?

Eine Antwort lautet: Von allen 70 Kindern und Enkeln Jaakows, welche die Tora erwähnt, waren Ephraim und Manasche die Einzigen, die in Ägypten geboren waren und dort ihr Leben verbracht hatten. Jaakow wusste, dass die Juden der künftigen Generationen wieder durch ihr eigenes Ägypten und ihr eigenes Exil wandern würden. Er wusste, dass die jüdische Geschichte voller Feindseligkeit und voller Probleme sein würde. Junge Juden brauchen daher Vorbilder wie Ephraim und Manasche, die in Ägypten geboren wurden und heranwuchsen und dennoch der Tradition Jaakows treu blieben. Sie arrangierten sich mit dem Pharao und lebten trotzdem rechtschaffen jüdisch.

Die Kinder des Internetzeitalters brauchen Helden, mit denen sie sich identifizieren können, damit sie von ihnen inspiriert werden. Josefs Söhne setzten sich am ägyptischen Hof durch, ohne zu vergessen, wer sie waren. Wenn die Kinder in unserem Land mit ihrem Schöpfer spirituell verbunden bleiben, haben wir für G-tt ein Haus auf der materiellen Ebene gebaut, und das ist der Sinn der Schöpfung.