Wer sind wir? Wo waren wir? Wo werden wir sein? Das jüdische Volk wird „Kinder Israels“ genannt. Dieser Name ist vom ursprünglichen Israel, dem dritten Patriarchen, unserem Vater Jaakow, abgeleitet. In der Parascha dieser Woche lesen wir, dass Jaakow vorgab, sein Bruder Eisaw zu sein, damit sein Vater Jizchak ihn segnete. Er trug das Ziegenfell Eisaws, so dass Jizchak erstaunt rief: „Dies ist die Stimme Jaakows, aber die Hände sind die Hände Eisaws!“

Nach unserer Tradition haben diese unsterblichen Worte eine Bedeutung, die weit über den Wortlaut der Geschichte hinausgeht. Die Stimme Jaakows ist die Stimme des Torastudiums, der Klang des Gebetes und die leise, spirituelle Stimme des friedlichen Volkes der Tora. Die Hände Eisaws symbolisieren die Faust und den Arm, der das Schwert schwingt, also körperliche Kraft, brutale Gewalt und Krieg. Heute stellt sich die Frage: In welchem Sinne erziehen wir unsere Kinder? Haben wir vielleicht vergessen, wer wir sind und welche Aufgabe wir als Volk haben?

Machen wir uns nichts vor: Unsere Gesellschaft ist die Gesellschaft Eisaws. Unsere Kinder sind unaufhörlich Fernsehsendungen, Filmen, Videospielen und Medien ausgesetzt, die das Körperliche und sogar die Gewalt verherrlichen. Die Nachrichten wären schon schlimm genug! Das durchschnittliche Kind sieht vor seiner Bar Mizwa Tausende von Morden in allen Details. Eltern sollten zwei- oder dreimal nachdenken, bevor sie sich den Luxus dieses elektrischen Babysitters gönnen.

Die Folgen sind unübersehbar. Beobachten Sie einmal Kinder beim Spielen, sogar im Kindergarten. Ehrlich gesagt, ich bin froh, dass ich noch lebe. Einmal wollte ich eine Familie in meiner Gemeinde besuchen und wurde von deren Sohn mit einem Gewehr beschossen. G-tt sei Dank war es nur ein Spielzeug. Ich zuckte zusammen, als seine Mutter sagte: „Hör auf, Rolf. Auf den Rabbi darfst du nicht schießen!“ Früher spielten die Kinder Cowboy und Indianer. Wer geschickt war, stieß einen Indianer vom Pferd. Heute ist ein Opfer nicht genug. Dank der modernen Technik können wir ganze Armeen auslöschen. Ein Siebenjähriger vernichtet mit seiner Spielekonsole Schlachtschiffe, Raumschiffe und ganze Planeten.

Die gleichen Leute, die gegen das Schächten sind (die traditionelle jüdische Methode des Schlachtens), sagen kein Wort gegen die Jagd als Sport. In England jagen sogar Könige. Eisaw wird in der Tora als Mann, der „das Jagen versteht“ und als „Mann des Feldes“ bezeichnet, Jaakow dagegen als „anständiger Mann und Zeltbewohner“, eine Anspielung auf die Zelte der Tora. Jaakow war der stille Gelehrte, Eisaw der wilde Jäger.

Und was ist mit dem Boxen? Wer den anderen zu Brei schlägt, bekommt den Preis und wird zum Weltmeister gekrönt. Was für eine Logik! Wenn Sie jemanden aus Wut töten, weil er Ihnen den Parkplatz streitig macht, gelten Sie als Mörder. Aber wenn Sie ihn im Ring umbringen, während 25.000 Zuschauer Ihnen zujubeln, sind Sie ein Held und verdienen Millionen. Auf das bizarre und barbarische „Wrestling“ will ich gar nicht erst eingehen.

Dies ist die traurige Wirklichkeit. Wenn es ums Geld geht, gelten Moral und Gewissen nicht mehr. Wenn Ihr Kind ein Gewehr kaufen will, findet es bestimmt einen Verkäufer. Vielleicht gibt es eine Qualitätskontrolle, damit es seine Hände nicht verletzt; doch leider verletzt es dabei seine Seele. All diese gesellschaftlichen Phänomene stumpfen uns ab und bedrohen unseren feinfühligen Jaakow-Charakter. Die Folge ist eine Generation aus rohen, groben Eisaws.

Der Talmud sagt: „Wo ein Buch ist, da ist kein Schwert; aber wo ein Schwert ist, da ist kein Buch.“ Wir können kein Volk edler Gelehrter sein, wenn wir mit dem Schwert spielen. Wir waren immer ein Volk des Buches. Juden sollten ihre Kinder dazu bringen, das Buch in die Hand zu nehmen und das Schwert fallen zu lassen. Wir wollen Kinder haben, die Mosche gleichen (oder wenigstens Einstein). Als Mosche zwei Juden streiten sah, sagte er: „Rascha (du Sünder), warum schlägst du deinen Nächsten?“ (Exodus 2:13), obwohl einer der Männer nur die Hand erhoben hatte! Er hatte noch gar nicht zugeschlagen; aber Mosche sah, dass er sich wie ein Sünder benahm.

Wenn junge Juden von Antisemiten bedroht werden oder wenn Israel von mörderischen Nachbarn gefährdet wird, müssen wir uns natürlich verteidigen. Selbstverteidigung ist in der heutigen Welt notwendig, und die israelischen Streitkräfte schützen uns vor einem neuen Holocaust, den G-tt verhüten möge. Aber wir dürfen aus der Gewalt kein neues Ideal machen! Wir müssen unsere Kinder in der Tora und in der jüdischen Weisheit unterrichten. Wenn unsere Stimme die Stimme Jaakows ist, werden die Hände Eisaws uns nicht verletzen. G-tt helfe uns dabei, auch künftig eine weise, empfindsame Nation zu sein, sicher in unserer inneren Kraft und stolz darauf, wer wir sind und hoffentlich immer sein werden.