Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, im größten Teilchenbeschleuniger der Welt – 6 Kilometer Umfang, 9 Meter unter dem Prärieboden Illinois’ gelegen. Der Schlusstermin war irgendwann im Jahr 2007, wenn ein noch größerer und wesentlich leistungsstärkerer Partikel-Beschleuniger in Genf seine Tätigkeit aufnehmen soll, dessen Daten alles ersetzen und übertreffen werden, was die Anlage in Illinois – bekannt als Fermilab – produzieren könnte.
Was die Wissenschaftler in Fermilab suchen sind Beweise oder zumindest Hinweise zur Untermauerung der String-Theorie, die als bisher einziges Modell alle vier primären Kräfte der Physik (Schwerkraft, Elektromagnetismus, und die schwachen und starken nuklearen Kräfte) in eine einzige »allumfassende« Formel einbindet. Aber die String-Theorie ergibt nur dann mathematischen Sinn, wenn Raum-Zeit 10 Dimensionen haben. Bislang gelang es bloß,die Existenz von vier Dimensionen nachzuweisen – drei räumliche Dimensionen, die sich durch ein Kontinuum der Zeit erstrecken. Es sind diese übrigen Dimensionen, die von den Fermilab-Wissenschaftlern ins Visier genommen werden, bevor das Schweizer Forschungszentrum die Suche übernimmt.
Niemand kann sagen, ob zusätzliche Dimensionen jemals beobachtet werden können, oder wieviele Dimensionen wir in 20 Jahren von heute suchen werden. Wir wissen jedoch, dass vor 500 Jahren eine Gruppe von Kabbalisten aus Sefad, im Norden Israels, das Universum als eine zehn-dimensionale Struktur beschrieb, die sich von den zehn obersten Sefirot (g-ttlichen Attribute) ableitet und diese widerspiegelt.
Die Doktrin der zehn Sefirot ist eine altbekannte, die schon Erwähnung findet in den Lehren des Rabbi Schimon bar Jochai (Autor des Sohar) im 2. Jahrhundert und in Teilen der Kabbala, der Tiefen-Dimension der Tora, die Moses am Berg Sinai erhielt. Aber die Sefad-Kabbalisten waren Pioniere, wenn es um das Lehren dieser komplexen Grundsätze ging und um die detaillierte theoretische Aufzeichnung in verständlichen Ausdrucksformen. Auf diese Weise machten sie diesen Teilbereich der Kabbala für eine bedeutend breitere Gruppe von Gelehrten zugänglich als die Handvoll Erwählter, die in diese mystischen Lehren in den Generationen davor eingeweiht war.
In wenige Worte gefasst, besagt die Sefirot-Theorie, dass G-tt von sich selbst zehn Attribute emanierte: Chochma (Weisheit), Bina (Verständnis), Daat (Wissen), Chessed (Liebe), Gewura (Stärke, Zurückhaltung), Tiferet (Harmonie), Nezach (Sieg, Ambition), Hod (Herrlichkeit, Hingabe), Jesod (Fundament, Bindende Kraft) und Malchut (Herrschaft, Empfänglichkeit). Auch die menschliche Seele enthält diese zehn Attribute – das ist, was gemeint ist mit der Aussage der Bibel, dass G-tt den Menschen »in Seinem Angesicht« schuf. Und ebenso besteht die Schöpfung, als Ganzes, aus zehn Sphären, abgeleitet und vitalisiert von den zehn Sefirot.
Gestern habe ich meiner 10-jährigen Tochter ein Fahrrad gekauft. Es war ein Ereignis in physischer Zeit (16:55), in physischem Raum (die Filiale einer internationalen Spielzeugkette im Zentrum der Stadt), und in den zehn Sphären meiner Seele.
In der Sphäre von Chochma war es ein Blitz der Einsicht. Eine Idee, die aus dem Nichts meines Unterbewusstseins auftauchte: »Ja! Ich werde ihr ein Fahrrad kaufen!«
In der Sphäre von Bina war es ein Akt der Datenverarbeitung. Ich erwägte Alter und Körpergröße meiner Tochter, die Topographie unseres Auffahrtsweges und die Verkehrssituation auf den Radwegen in unserem Bezirk, die Ziffern auf meinem letzten Bankauszug und zahlreiche andere Fakten, die dem Blitz der Einsicht Länge, Breite und Substanz gaben.
In der Sphäre von Daat war es ein Akt des Wissens. Die abstrakte Idee und die objektiven Daten kamen auf eine Weise zusammen, die aus der Aussage »Ich werde ihr ein Fahrrad kaufen« etwas Echtes, Bedeutungsvolles machte. Das »Ich« wurde zu mir, das »ihr« wurde sie, aus der Idee wurde ein Vorhaben.
In der Sphäre von Chessed war es ein Akt der Liebe. Ein Akt, der mein Bestreben, von mir selbst für sie zu geben, umsetzte und ausdrückte.
In der Sphäre von Gewura war es ein Akt der Zurückhaltung. Ich musste meinen Drang zügeln, zu viel Geld für das Geschenk auszugeben. Ich musste meine Neigung überwinden zu wenig auszugeben. Ich musste vom Kauf des Fahrrades absehen, das mir am besten gefiel, und ich durfte nicht das kaufen, das sie am liebsten gehabt hätte, das aber ungeeignet für sie ist. Ich nahm weiters Abstand davon, ein Fahrrad zu kaufen, das perfekt für sie im Augenblick wäre, aber unbrauchbar in sechs Monaten; und eines, das sie ihren Enkelkindern weitergeben hätte können, aber das Falsche für jetzt ist. 75 Fahrradmodelle gab es in diesem Toys ‘R Us, ich hatte also eine ganze Menge Zurückhaltung zu üben.
In der Sphäre von Tiferet war es ein Akt der Harmonie. Der Akt der Liebe und der Akt der Zurückhaltung verschmolzen ineinander und bildeten eine Synthese, hielten einander auf Distanz und absorbierten sich gegenseitig. Hätte meine Chessed meine Gewura ausgespielt, wäre eine gänzlich selbstbezogene Handlung daraus geworden – im Mittelpunkt »Ich« und mein Bedürfnis zu geben und meine Liebe auszudrücken. Hätte meine Gewura die Alleinherrschaft übernommen, wäre es nur um meine Tochter gegangen – das perfekte Rad für sie. Es wäre kein Geschenk von mir gewesen, hätte nicht vermittelt, wer ich als ihr Vater bin und wie ich sie liebe – das aber braucht sie und bringt ihr Freude genauso wie das Fahrrad selbst.
In der Sphäre von Nezach war es ein Akt der Ambition. Da das Ereignis (auch) in der wirklichen Welt stattfand, gab es Hindernisse: Ich kam unter Zeitdruck für einen wichtigen Termin danach, das von mir gewählte Modell war nicht in dieser Größe und Farbe lagernd, meine Kreditkarte wurde ursprünglich abgelehnt, der Karton passte nicht in den Kofferraum meines Autos, ... Um wirklich zur Sache zu kommen, musste ich meinen Stolz aufbieten, das Bedürfnis mich zu beweisen, den Willen zum Erfolg.
In der Sphäre von Hod war es ein Akt der Hingabe. Ich stellte mein »Ich« auf die Seite und ordnete mich in einer größeren Wahrheit ein. Ich unterwarf meine Identität als »Ich« meiner Identität als »Sophies Vater«.
In der Sphäre von Jesod war es ein Akt des Verbindens. Das Fahrradkaufen wurde zu einem integralen Teil unserer Beziehung. Seit diesem Zeitpunkt bis in alle Ewigkeit ist dieser Akt untrennbarer Teil von dem, was mich zu ihrem Vater macht und sie zu meiner Tochter.
In der Sphäre von Malchut bekam meine Tochter das Fahrrad.
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