Während der großen Sintflut, waren Noach und seine Familie mit dem Füttern der Tiere, die sich in der Arche befanden, beschäftigt. Der Talmud1 erzählt uns, dass Elieser, Abrahams Diener, Schem, einen der Söhne Noachs, fragte wie sie es geschafft haben, sich um alle Tiere zu kümmern und jedem einzelnen Tier individuelle Fürsorge zu bieten, nachdem doch die Gewohnheiten und Bedürfnisse der verschiedenen Gattungen so sehr variieren.
[Schem] antwortete: "Es war ziemlich unruhig in der Arche. Die Tiere, die normalerweise am Tag gefüttert werden, fütterten wir am Tag, und diejenigen, die sich normalerweise in der Nacht ernährten, fütterten wir in der Nacht. Doch mein Vater wusste nicht, mit was er das Chamäleon füttern soll.2 Eines Tages schnitt er einen Granatapfel, als plötzlich ein Wurm herausfiel, auf den sich das Chamäleon stürzte. Von jenem Tag an, zerdrückte mein Vater Kleie, und als sie madig wurde, bediente sich dann dieser besondere Passagier ..."
Der Midrasch Tanchuma3 erzählt, dass Noach eines Tages mit der Fütterung des Löwen etwas spät dran war. Den Löwe nervte das und er gab Noach einen Stoss, so dass er von diesem Moment an für den Rest seines Lebens hinkte.4
Der Maharimat5 klärt, dass Noach gebeten wurde, die Tiere pünktlich zu füttern, wie es der Vers sagt6: "Und du sollst dir alle Nahrungsmittel nehmen, die gegessen werden und sie für dich sammeln, und sie sollen für dich und für sie [die Tiere] als Nahrung dienen." Weil er dieses Gebot in jenem Moment nicht erfüllte, wurde er bestraft.
In der Tat fordert die Tora jeden Menschen auf, seine Tiere zur richtigen Zeit zu füttern. Wir werden gebeten, unsere Tiere zu füttern, bevor wir selber essen. Der Talmud7 leitet dieses Gebot vom Vers8 ab: "Und ich werde in deinen Feldern Grass für deinen Viehbestand geben" – und erst nachher steht: "und du sollst essen und gesättigt werden."
Es folgt eine Zusammenfassung der Gesetze zum Füttern der Tiere.
Tiere füttern vor dem Essen
G-ttesfürchtige Menschen haben sich stets bemüht, das Gebot, die Tiere vor dem Essen zu füttern, streng einzuhalten. Es heißt, dass Rabbi Aharon Rokeach, der Belser Rebbe sel. A., ein Pferd kaufte oder sein Teilbesitzer wurde, um diese Mizwa ausführen zu können. Vor dem Essen überprüfte er oft, ob sich jemand um die Fütterung des Pferdes kümmert.9
Es heißt, dass das Füttern unserer Tiere vor dem Essen ein Tora-Gebot ist.10 Andere sagen, dass es sich dabei um ein rabbinisches Gebot handelt, das durch den Vers aus Deuteronomium unterstützt wird.11 Es gibt auch die Meinung, dass es nur ein frommer Brauch sei und nicht etwa eine verbindliche Verpflichtung.12
Die Gründe für diese Mizwa:
Es wurden verschiedene Gründe angeboten:
- Es ist grausam zu essen, während die in Bezug auf ihre Nahrung von uns abhängigen Tiere hungrig sind.13
- Wir werden gebeten, G-ttes Wegen nachzueifern. Über G-tt steht geschrieben14: "... und seine Barmherzigkeit steht über all Seinen Geschöpfen." Daher zeigen wir uns den Tieren gegenüber ebenfalls barmherzig.15
- Der Midrasch16 behauptet, dass vielleicht eine Gesellschaft den Regen und damit die Nahrung nur dank ihres Viehbestandes bekommt. Die Menschen mögen so gesündigt haben, dass ihnen kein Segen mehr zusteht, doch G-tt unterhält sie weiterhin, - um derer Willen, die keine Missetaten begangen haben. Da wir unsere Nahrung eventuell unseren Tieren verdanken, ist es doch nur fair, sie als erste zu füttern.17
Welche Tiere?
- Diese Regel bezieht sich auf alle Tiere, auch auf Vögel oder Fische, die beim Füttern von uns abhängig sind.18
- Diese Regel bezieht sich nicht auf Tiere, die jemand anderem oder niemanden gehören.19 Trotzdem ist es, falls jemand ein hungriges Tier antrifft, wünschenswert, es zu füttern, es sei denn, dieses Tier würde dadurch immer wieder zu uns zurückkommen und mehr verlangen.20
Mehr Einzelheiten:
- In der Praxis brauchen wir die Tiere nicht vor jeder Mahlzeit zu füttern; einige Tiere essen nur eine Mahlzeit am Tag. Die Regel lautet lediglich, dass wir beim Herannahen der Fütterungszeit der Tiere nicht essen sollen, bevor die Tiere gefüttert sind.21
- Ebenso sollte der Besitzer seine hungrigen Tiere unverzüglich füttern, selbst wenn er für sich selbst noch keine Mahlzeit geplant hat. Das fällt unter das allgemeine Verbot, einem Tier unnötiges Leid zuzufügen. Daher sind Tiere auch am Fasttag zu füttern.22 In der Tat war es der Brauch besonders G-ttesfürchtiger Leute, ihre Tiere am Jom Kippur selbst zu füttern, um die G-ttliche Barmherzigkeit zu erwecken.23
- Wenn wir einen Segensspruch auf ein Nahrungsmittel gesagt und uns plötzlich daran erinnert haben, dass unsere Tiere noch nicht gefüttert wurden, dürfen wir – noch bevor wir den ersten Bissen essen – jemanden anweisen, die Tiere zu füttern,24 obwohl es verboten ist, zwischen dem Segensspruch und dem Essen zu reden.25
- Es gibt Meinungsverschiedenheiten unter den halachischen Autoritäten, ob sich diese Regel auch auf kleinere Imbisse bezieht. Der Tas26 vertritt die Meinung, dass es lediglich verboten ist, eine ganze Brotmahlzeit zu essen, bevor die Tiere gefüttert wurden, während kleinere Zwischenmahlzeiten erlaubt sind.27 Der Magen Avraham28 sagt jedoch, dass wir nicht einmal etwas kosten sollen, bevor die Tiere Futter bekamen.29
- Das Buch Sefer Chassidim30 besagt, dass es erlaubt ist, vor den Tieren zu trinken. Er beweist diese Aussage mit der Geschichte von Rebekka und Elieser. Die Tora sagt, dass Rebekka zuerst Elieser zu trinken gab und erst nachher füllte sie die Tränke für seine Kamele. So steht es auch geschrieben, als Moses vom Felsen Wasser verlangte.31 "Eine Fülle an Wasser sprudelte hervor und die Gemeinde und ihr Vieh tranken" – was darauf hindeutet, dass die Menschen vor den Tieren tranken.32
Um diese Punkte mit einer faszinierenden Geschichte abzuschließen: Der heilige Arisal sagte einmal zu einem seiner Schüler, dass er einst eine Markierung in seinem Gesicht trug, weil er sich schuldig gemacht hatte, Tieren Leid zugefügt zu haben. Nach gründlicher Untersuchung fand dieser Tora-Gelehrte, dass seine Frau, statt die Hühner zu füttern, diese ihr Futter selber suchen lies. Als er dieses Problem behob, war die Markierung auf Arisals Stirn verschwunden.33
Die Tiere mit unkoscherem Essen füttern
Es ist erlaubt Tiere mit unkoscherem Essen zu füttern, es sei denn, es handle sich dabei um eine Mischung aus Fleisch34 und Milch, die zusammen gekocht wurden.35 Daher sollen wir sicherstellen, dass das Futter der Haustiere keine solche Mischung enthält.
Chamez zu Pessach
Da es verboten ist, während der Pessach-Woche vom Chamez (gesäuertes Brot oder Getreide) zu profitieren, sollten wir auch Nicht-Chamez-Futter für unsere Haustiere besorgen. Checken Sie Ihre Produktliste, um herauszufinden, welches Tierfutter koscher für Pessach ist.
Das Füttern von Tieren am Schabbat und an Feiertagen
Am Schabbat und an den hohen jüdischen Feiertagen ist es verboten, herrenlose Tiere, also nahrungsmäßig nicht von uns abhängige Tiere, zu füttern.36 Eine Ausnahme sind verirrte Hunde infolge ihrer beschränkten Nahrungsquellen.37 Wir können diese Ausnahme auf jedes Tier, das Hunger hat, erweitern.38
Aus diesem Grund ist es besser, keine Vögel am Schabbat Schira39 (Schabbat, an dem wir das Lied am Meer als Teil der Tora-Lesung lesen) zu füttern.40 So sollen wir auch nicht die Fische füttern, wenn wir zu Rosch Haschana das Taschlich-Gebet sagen, trotz diesem verbreiteten Brauch41 und obwohl einige diesen Brauch rechtfertigen.42
Das Füttern der Tiere mit Nahrungsmittel, die eigentlich für Menschen bestimmt sind
Es ist verboten den Tieren Essen zu geben, das sich eigentlich für den menschlichen Gebrauch eignet, weil das als Degradierung der Nahrung und an Verachtung der Fülle, die G-tt uns gegeben hat, angesehen wird.43 Elija Rabba44 stellt die Frage, ob es sich hier um die eigentliche Halacha handelt, oder lediglich um eine Meinung, die im Talmud erwähnt wird. Es heißt, dass die eigenen Haustiere mit Menschennahrung zu füttern sind, doch nicht die Haustiere eines anderen.45
Bei Resten, die sonst weggeworfen werden, ist es sicherlich erlaubt, damit Tiere zu füttern.46
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