Lieber Leser,
zu Anfang der dieswöchigen Sidra Wajera lesen wir, dass G-tt dem Abraham erschien, nachdem dieser sich im Alter von 99 Jahren beschnitten hatte. Welche Bedeutung kommt diesem Akt Abrahams zu, und weshalb verdiente er einen so großen Lohn?
Sogar wenn ein Jude 99 Jahre alt ist, und dies nicht nur an Kalenderjahren, sondern an Jahren eines ununterbrochenen Dienstes an G-tt, ist er trotzdem und immer noch verpflichtet, sich zu beschneiden. Im übertragenen, vergeistigten Sinne heißt dies, dass man die "Vorhaut" der Welt entfernt, das ist die äußere Hülle von Vergnügungssucht, die dazu angetan ist, den wahren Inhalt der G-ttlichen Schöpfung zu verschleiern. Es heißt in den "Sprüchen der Väter": "Ist jemand 100 Jahre alt, dann ist er so, als sei er bereits tot, vergangen und der Welt entrückt." Mit anderen Worten: Zu diesem Zeitpunkt, 100 Jahre alt an Jahren und an geistiger Entwicklung, wenn die Welt für ihn das G-ttliche nicht mehr verhüllt, hat ein Mann das Ziel der inneren "Beschneidung" erreicht. Vorher jedoch, wenn nur ein Jahr oder ein Grad von Heiligung fehlt, bleibt diese Aufgabe noch unerfüllt.
Zwischen Abraham und dem Gebot der Beschneidung bestand eine sehr besondere Verbindung. Nach Maimonides erhielt Adam sechs Gebote, und ein siebentes wurde noch für Noach hinzugefügt; ein zusätzliches Gebot erhielt Abraham, eben die die Vorschrift der Beschneidung. Nachdem also dieses Gebot erstmalig an Abraham erging, muss es für ihn von spezifischer Erheblichkeit gewesen sein, woraus zu folgern ist, dass seine Beschneidung nicht einfach zu seinen 99 Lebensjahren etwas hinzufügte, sondern dass bis dahin in seinem Leben dessen zentraler Bestandteil überhaupt gefehlt hatte. Dies wird noch untermauert durch die Worte, die G-tt an Abraham im Zusammenhang mit der Beschneidung richtete: "Sei vollkommen"; daraus ist zu entnehmen, dass Abraham bis dahin noch beeinträchtigt war.
Schabbat Schalom
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