Für den siebten Pessachtag finden wir im Schulchan Aruch HaRaw (jüdischen Gesetzeskodex des Alten Rebben) einen interessanten Gesetzesschluss. Dort heißt es: „Wessen Feiertagsmahlzeit am letzten Pessachtag bis in die Nacht geht (also nachdem Pessach schon vergangen war), der kann Gesäuertes an den Tisch bringen, obwohl er mit dem Abendgebet den Feiertag noch nicht verabschiedet hat“.1 Dieser Halacha zufolge ermöglicht sich ein ganz merkwürdiger, besonderer Zustand. Stellen wir uns dies mal vor: Man befindet sich inmitten festlicher Pessachstimmung und wird noch im Tischgebet „am Fest der ungesäuerten Brote“ sprechen, und dennoch kann schon Chametz genossen werden!
Auf Ähnliches stoßen wir, wenn wir den drastischen Unterschied zwischen den sieben Pessachtagen und dem letzten (im Ausland) in Bezug auf unsere Vermeidung Mazza in Wasser zu tunken (welches den Gärungsprozess bewirken könnte) betrachten. Während wir an den sieben Pessachtagen besonders aufpassen, dass die Mazzot durch nichts befeuchtet werden2, so wird am achten Pessachtag darauf überhaupt keine Rücksicht genommen, und es ist sogar Brauch Mazza mit jeder Speise zu essen!3
Tag der Erlösung
Dieser eigentlich kuriose Brauch deutet uns, tiefer betrachtet, den generellen Unterschied zwischen den sieben Pessachtagen und dem darauf folgenden an. Die ersten Pessachtage beziehen sich auf den Auszug aus Ägypten, während der letzte Pessachtag mit der vollkommenen Erlösung in Verbindung steht. Hinweis darauf finden wir in dem Anfangsvers der Haftara, der Lesung aus den Prophetenbüchern4, an diesem Tag: Noch heute soll er in Now verweilen, welcher von den Tagen des Maschiach handelt.
Den wesentlichen Unterschied zwischen jener vergangenen und der zukünftigen Erlösung sehen wir in der Form ihres Auftretens. Über den Auszug aus Ägypten heißt es: denn das Volk floh5 – das jüdische Volk musste vor dem Bösen fliehen und es bekämpfen; bezüglich der vollkommenen Erlösung aber heißt es: nicht mit Hast werdet ihr fortziehen6, denn das Böse wird bereits vertilgt sein – den unreinen Geist werde Ich abschaffen von der Erde.7
Das menschliche Brot
Dies findet seinen Ausdruck in der Behutsamkeit im Umgang mit Gesäuertem. Chametz symbolisiert Hochmut und Überheblichkeit, welche Ursprung allen Übels sind (Mazza hingegen steht für Bescheidenheit und Demut). An den ersten Tagen von Pessach, wo man dem Bösen ausweicht, muss man sich vor Gesäuertem gänzlich vorsehen. Deshalb wird Mazza in keine Flüssigkeit getunkt, denn vielleicht könnte es zur Gärung kommen – Hochmut und Überheblichkeit.
Am letzten Pessachtag aber, wo wir bereits die zukünftige Erlösung vor Augen und in den sieben Tagen davor das Böse bekämpft haben – nicht nur, dass wir unachtsam sind in Bezug auf das Tunken der Mazza in Flüssigkeit, sondern wir befeuchten sie sogar mit allerlei Speisen, als Ausdruck dafür, dass das Böse selbst sich zum Guten wandelte!
Eine Zeit ohne Neid?
Jetzt verstehen wir auch das mögliche Entstehen unserer oben genannten Situation. Da wir ja bis zum siebten Tag das Böse bekämpft haben und in eine Ära eintreten, die kein Böses kennt – können wir das Chametz ins Gute wandeln und so auch mit dem Genuss von Gesäuertem „am Fest der ungesäuerten Brote“ sprechen.
Die Vollkommenheit dieser Umwandlung erblicken wir zur endgültigen Erlösung, wo alles Übel vertilgt sein wird und „es keinen Hunger, keine Kriege und keinen Neid und Wettlauf mehr geben wird ... die Welt wird keine andere Beschäftigung kennen außer dem Erfahren der g-ttlichen Natur!“8
(Likutej Sichot, Band 22, Seite 30)
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