Vor kurzem war er noch der reichste Mann der Stadt gewesen. Aber das Rad des Schicksals hatte ihn zu Brei gemahlen und auf der anderen Seite ausgespien. Von seinem einstigen Wohlstand war fast nichts mehr übrig.
Schlimmer als der Verlust des Luxus, den er bisher genossen hatte, war der Verlust an Ansehen. Er war daran gewöhnt, dass man ihn äußerst respektvoll behandelte. Es war schön gewesen, überall willkommen zu sein. Jedes Wort von ihm hatte etwas gegolten, und er hatte sich zu jedem Thema geäußert. Nun hatte er keine Möglichkeit mehr, die öffentliche Meinung mit ein paar gut gewählten Worten zu beeinflussen.
Früher hatte er geglaubt, sein Rat werde geschätzt; doch jetzt, wo er in der Hackordnung weiter unten stand, musste er mit ansehen, wie anderen die Bewunderung zuteil wurde, die einst ihm gegolten hatte.
Aber er kam zurück! Er überlebte den Sturm, erwischte wieder eine Glückssträhne, kratzte Geld zusammen und investierte es neu, packte günstige Gelegenheiten beim Schopfe. Und plötzlich musste man wieder mit ihm rechnen. Und war es nicht schön zu beobachten, wie seine früheren Freunde sich plötzlich wieder um ihn scharten? Wieder war er das Thema unzähliger Gespräche und stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
Er hatte nicht nur seinen Reichtum zurückgewonnen, sondern auch seine Klugheit. Viele fragten ihn um Rat und lobten ihn für seinen Scharfsinn und seine Intelligenz, aber auch für seine Hilfsbereitschaft.
Der Einzige, der sich nicht mitreißen ließ, war der reiche Mann selbst. Oft hörte man ihn sagen, er sei dankbar für die kurze Zeit im Schatten. Damals habe er gelernt, wer seine wahren Freunde seien und was man wirklich von seiner Meinung und seinen Ideen halte.
In einer anderen Liga
Ist es nicht seltsam? Viele Leute glauben, reiche Menschen seien automatisch mit allen anderen Tugenden ausgestattet. Aber warum sollte ein Unternehmer oder Geschäftemacher etwas von Kunst verstehen, und warum sollte man ihm politische Entscheidungen überlassen? Nicht jeder Finanzhai ist ein intellektueller Riese. Man braucht ganz bestimmte Fähigkeiten, um Reichtum anzuhäufen; aber das garantiert keinen Erfolg auf anderen Gebieten.
Die Tora warnt uns vor dem Verlust des Realitätssinnes.
Hüten Sie sich davor, G-tt zu vergessen und seine Gebote zu missachten. Vielleicht haben Sie genug zu essen und ein schönes Haus. Doch während Ihre Herden wachsen, Silber und Gold sich vermehren und alles gelingt, was Sie anfassen, kann Ihr Herz hochmütig werden, so dass Sie G-tt vergessen. (Deut. 8:11-13)
Wenn jemand Häuser, Gold und Silber besitzt, folgt daraus nicht zwingend, dass er in jeder Hinsicht erfolgreich ist. Reichtum ist nicht gleichbedeutend mit intellektuellem Vermögen. Das Judentum schreibt traditionell jenen Weisheit zu, die sich dem Studium der Tora widmen. Gelehrte sind unser wahrer Adel, und reiche Leute haben die Aufgabe, das Tora-Studium und die Gesellschaft zu unterstützen.
Reichtum ist auch eine Herausforderung. Denken Sie immer daran, wer Ihre wahren Freunde sind. Geld kommt und geht, aber der Charakter bleibt. Wenn Sie das vergessen, besteht die Gefahr, dass Sie hochmütig werden und dann tief fallen.
Wir alle sollten jene Menschen ehren, die über reiche innere Werte verfügen, nicht jene, die ein großes Bankkonto haben. Wir sind stolz auf die Werte unserer Tora, und wir halten sie auch dann in Ehren, wenn wir nicht mit Reichtum gesegnet sind. Vergessen wir nie, dass G-tt die Welt regiert und dass wir letztlich nur ihm verantwortlich sind.
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