Nachdem in diesem Schaltjahr der 1. Adar (Adar Rischon) der "zusätzliche" Monat ist, wird Purim natürlich erst im 2. Adar gefeiert. Nichtsdestoweniger fällt in den augenblicklichen Monat "Klein-Purim" ("Purim Katan").
Dazu legt R. Moses Isserles ("R'mo") in seiner Glosse zum Schulchan Aruch (Orach Chajim, Kap. 697) fest, dass man Purim Katan in gehobener Stimmung und mit einer besseren Mahlzeit als gewöhnlich begehen soll; auf jeden Fall soll man zu den "normalen" Speisen noch etwas hinzufügen. Er zitiert den Vers aus den Sprüchen Salomons (15, 15): "Und wer guten Mutes ('Tov Lev' – wörtlich: 'von gutem Herzen') ist, hat ein andauerndes Festmahl." Damit will der "R'mo" offensichtlich darlegen, dass man jede Gelegenheit für Freude und Frohsinn, wenn immer sie sich einstellt, wahrnehmen soll.
Zu diesem Verse aus den Sprüchen Salomons bemerkt sodann der Talmud (Baba Batra 145b), das der Ausdruck "Tov Lev" eine Person beschreibt, welche mit "Da'at Rechawa" (einem "ausgebreiteten Geist") ausgestattet ist. Nach Raschis Kommentar zum Verse ist dies ein Mensch, der mit seinem Los und seinem Anteil zufrieden ist. Sicherlich stehen diese beiden Auslegungen in enger Beziehung zueinander, in dem Sinne, dass ein "ausgebreiteter Geist" dazu führt, dass ein Mensch glücklich und zufrieden ist.
Nun hätte man meinen können, ein solcher Gemütszustand hänge sehr davon ab, wie G-tt mit dem betreffenden Menschen verfährt. Wenn die G-ttliche Vorsehung ihm freundlich und sympathisch "gesinnt" ist und ihm daher alles gewährt wird, das er benötigt, dann hat er keine Sorgen; wenn aber die Vorsehung ihn auf andere Art behandelt, dann wären bei ihm Kummer und Sorgen zu erwarten.
Dem Talmud zufolge kann dies jedoch nicht stimmen: Denn wer "Tov Lev" ist, hat ein "andauerndes Festmahl"; und nachdem dies, wie der Talmud lehrt, gleich einem "ausgebreiteten Geist" ist, muss diese Zufriedenheit für alle Umstände und Zustände gelten, in welcher Form auch immer sie auftreten.
Bezeichnend in gerade diesem Zusammenhang ist eine Erklärung des "Alten Rebben", des Begründers der Chabad-Lubawitsch-Bewegung: Im Machsor für Jom Kippur, und zwar im Ne'ila-Gebet, findet sich ein liturgischer Passus folgenden Inhaltes: "Die Bedürfnisse Deines Volkes sind groß, aber ihr Verständnis ist klein." Der "Alte Rebbe" hat dies so erklärt: "Warum also sind die Bedürfnisse Deines Volkes groß? Eben weil ihr Verständnis so klein ist." Wäre ihre Einsicht, ihr Geist "ausgebreitet" gewesen, dann hätte sich gar nicht erst eine Situation ergeben, in der die Bedürfnisse Deines Volkes sich als so groß erweisen!
Dies genau ist, was die oben angeführte Talmud-Stelle lehrt: Ist jemand zufrieden (ist sein Geist "ausgebreitet"), dann ist er "Tov Lev", guten Mutes und guten Herzens, dann benötigt er nichts mehr – er hat alles, das er braucht.
Eine solche Person nun, deren Geist "ausgebreitet" ist, lässt sich von materiellen Dingen dann nicht übermäßig beeindrucken. Alles Materielle ist schon der Definition nach beschränkt und eingeengt; folglich kann so etwas gerade einem "ausgebreiteten" Geist nicht imponieren. Dieser Mensch will vielmehr "in die Breite gehen" und der Tora und den Mizwot folgen, die nicht den Begrenzungen dieser Welt unterliegen. Sondern sie tragen den Stempel von Unendlichkeit, von wahrer Breite und Weite. Und für einen "ausgebreiteten" Geist ist nur dies von eigentlichem Wert und Interesse.
Diskutieren Sie mit