Eine der spezifisch für Purim geltenden Vorschriften ist die Mizwa von "Schallach Manot"; sie legt fest, dass wir an jemand anderen zwei Sorten von Lebensmitteln schicken sollen. Einer bekannten Erklärung zufolge geht diese Mizwa im Grunde darauf zurück, dass wir mit ihr für ein Vergehen sühnen, welches eine Reihe von Juden zur Zeit der Purim-Ereignisse begangen haben.
Wie die Estherrolle berichtet, ließ Achaschwerosch, der König von Persien, eine Anzahl großartiger Gelage und Festmahle geben, wobei das Essen und die Getränke natürlich nicht koscher waren. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die von seinen Vorgängern geraubten heiligen Geräte des Tempels in Jerusalem, die er nun in Gewahrsam hatte, benutzt und profaniert. Nichtsdestoweniger nahmen manche Juden an diesen Gelagen teil, und sie aßen auch die nicht-koscheren Speisen.
Nun wird Purim bekanntlich in Erinnerung an den Sturz Hamans gefeiert; und Hamans Ende kam, nachdem die Juden ihr Vergehen aufrichtig bereut hatten und zu G-tt zurückgekehrt waren. Die Festlichkeiten schließen spezifisch die Mizwa von "Schallach Manot" ein, das Senden von Lebensmitteln; damit geben wir unserer eigenen G-ttergebenheit Ausdruck, insbesondere aber der getreuen Observanz Seiner Kaschrut-Gesetze.
Weiterhin jedoch lässt sich noch eine tiefere Erklärung für diese Vorschrift geben, wie folgt:
Persien war damals das mächtigste Reich der Erde. Es konnte sich einer Zivilisation rühmen, die als die fortschrittlichste der Zeit galt. Demgegenüber war die Lage der Juden eine, die sie fast zur Verzweiflung brachte. Das Heilige Land und der Tempel lagen in Trümmern. Manche konnten sich des Eindruckes nicht erwehren; als habe G-tt Sein Volk im Stich gelassen. Gewisse Leute hatten sogar Berechnungen angestellt, gestützt auf Aussagen der Propheten, denen zufolge das Exil hätte enden sollen, und doch war die versprochene Befreiung nicht eingetreten. Wie der Midrasch bemerkt, lieferten gerade diese Ansichten einen Grund mehr für Achaschwerosch, seine prunkhaften Gelage abzuhalten und es dabei zu wagen, die heiligen Tempelgeräte zu entweihen.
Unter diesen Umständen meinten viele Juden, sie könnten diese Einladung des Herrschers über dieses mächtige Reich, gerichtet an Vertreter aller Nationen einschließlich der jüdischen, nicht von sich weisen. Die Versuchung war zu stark; und es schreckte sie auch nicht ab, dass diese pomphaften Festlichkeiten eine "neue Ära" völliger Assimilation einleiten sollten. Was sie besonders verleitete, das war die magnetische Losung: "Kein Zwang!" (Esther 1, 8). Auf diese Weise machten sie sich selbst noch zu Helfershelfern bei der Entweihung der heiligen Geräte des Tempels.
Symbolisch nun stand diese Profanierung für die Entweihung der G-ttlichen Seele selbst, die doch das "Heiligtum" jeder einzelnen Person ist. Zweck und Aufgabe der Seele, als G-ttlicher Funke, ist es, die Umwelt mit dem Lichte der höchsten G-ttlichen Ideale zu erhellen. Nicht nur, dass diese schwachen Juden also die Mission ihrer Seele auf der Erde nicht erfüllt hatten – sie gaben durch ihre Teilnahme am Gelage sogar noch weiteren Ansporn für die Kräfte von Assimilation und Finsternis. Dadurch dass sie die "Speisen" eines Achaschwerosch zu sich nahmen, vergifteten sie gleichzeitig Körper und Seele.
So erinnert Purim uns daran, dass wir uns von dem äußeren Glanz fremder Zivilisationen nicht betören lassen sollen; allen Reizen der Assimilation müssen wir aktiven Widerstand leisten.
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