Am Ende der vorigen und zu Beginn die dieswöchigen Sidra geht die Tora auf den Vorfall von Simri und der Midianiterin ein (Num., Kap. 25). Es wird gezeigt, dass Moses, Aaron und die 70 Ältesten, die zugegen waren, nicht wussten, was zu tun sei. Da ergriff Pinchas, der jüngste unter Ihnen, die Initiative und forderte all, die für G-tt einstehen wollten, zum Handeln auf. Daraufhin wurde ihm nahegelegt, er solle, nachdem es sein Vorschlag war, die Tat selbst ausführen.

Die Lehre hieraus für uns ist diese: Wenn die "Gedolej Hadar" (die jeweilige Führungsschicht) stumm bleiben, dann folgt daraus nicht, dass nichts getan zu werden braucht, und es ist auch nicht angezeigt, erst eine lange Debatte aufzuwerfen und Zweifel zum Ausdruck zu bringen, um Entschuldigungsgründe für sich selbst zu finden. Vielmehr muss man verstehen, dass man in einer Situation, die dringend nach Handlung verlangt, sich aktiv darauf einzustellen hat. Der Grund für die Inaktivität anderer – größerer – Zeitgenossen könnte unter Umständen darin liegen, dass "Pinchas zur Übernahme des Priesteramtes geschult werden sollte"; das heißt, dass dies seine spezifische Aufgabe in der Welt ist, sein Anliegen, das er auf eine hohe Stufe vervollkommnen muss, und dadurch, dass er eben dieses tut, kommt er seiner eigenen Vervollkommnung näher.

Genauso wie auf materiellem Gebiete jedem sein Anteil zusteht – und niemand darf jemand anderem die Grundlage seines Unterhaltes irgendwie einschränken – so gilt dies auch auf spiritueller Ebene, oder dort sogar noch mehr. Jeder hat seinen ihm zustehenden Anteil an der Tora. Im Schabbatgebet sagen wir zu G-tt: "Gib uns unseren Anteil an Deiner Tora", womit nicht nur das bloße Verstehen der Tora sondern auch ihre Auslegung (Erklärung) gemeint ist.

Das gleiche gilt für die Mizwot. Wo der Talmud (Chagiga 15a) zum Ausdruck bringt, dass man manchmal den Anteil eines anderen übernehmen kann, da bezieht sich diese Andeutung nur auf die Belohnung für Mizwot in der zukünftigen Welt; doch die eigentliche Mizwa selbst – die immer und überall wichtiger ist als der Lohn – kann nicht weggenommen werden.

Den im Dienste G-ttes Stehenden lehrt all dieses ferner: Wenn jemand sich in einer Lage befindet, wo Tatkraft unverzüglich am Platze ist und niemand sonst sich zum Handeln bereiterklärt hat, dann mag er sich wohl fragen, woher er die Kraft und die Fähigkeit nehmen soll, die für eine derartige, dem Gebot der Stunde angemessene Selbstaufopferung nötig ist. Die Antwort auf eine solche Frage besteht darin, dass G-tt, der ihn in diese Lage gebracht hat, ihm auch die entsprechende innere Stärke gibt. Es kann vielleicht so weit kommen, dass gerade damit in ihm ein Funke des Unsterblichen erweckt wird.

So sind auch wir in unserer eigenen Zeit angewiesen, klar einzusehen, dass man oft nicht lange darüber debattieren darf, wer diese Aufgabe und wer jene übernehmen und ausführen soll. Wenn der Augenblick gekommen ist, muss man selbst seinen Mann stellen und den Grad von Selbstaufopferung zeigen, für den man gerade dann auch gewappnet wird.