Die dieswöchige Sidra beginnt mit den Worten (Num. 25, 10-11): "Und der Ewige sprach zu Moses wie folgt: Pinchas, der Sohn Eleasars, der Sohn Aarons, des Priesters, hat Meinen Zorn abgewendet." Raschi (z. St.) kommentiert den hier angegebenen Stammbaum so: "Die Stämme machten verächtliche Bemerkungen über in (Pinchas), nämlich: 'Habt ihr diesen Enkel von Puti gesehen! Seiner Mutter Vater mästete fette Kälber für götzendienerische Oper; und er selbst hat es nun gewagt, einen Prinzen aus Israels Stämmen zu erschlage!' Deswegen unternimmt es die Tora hier, seine Abstammung von Aaron nachzuzeichnen." – So weit Raschi.

Mit dieser üblen Nachrede beriefen die Israeliten sich darauf, dass Pinchas' Vater Eleasar eine Tochter Putiels geheiratet hatte; und dieser Putiel wird mit Moses' Schwiegervater Jitro identifiziert, der einst ein Götzendiener gewesen war.

Weshalb sieht Rasch sich genötigt, eine so eingehende Erklärung zu geben? – Diese Frage lässt sich so beantworten: Bereits einige Verse vorher (Num. 25, 7) hatte die Tora mitgeteilt, wer Pinchas' Vater und Großvater waren. Jetzt sieht Raschi sich zu dieser seiner ErkIärung veranlasst, weil die Tora sich niemals unnötig wiederholt; somit muss ein zusätzlicher Grund für die Wiederholung an der von uns zitierten Stelle bestehen.

Dies bringt Raschi unweigerlich zu dem Schlusse, dass Pinchas wegen seiner Abstammung (von Jitro) kritisiert worden war, so dass demgegenüber die Tora die Auszeichnung von Würde seiner Abstammung von Aaron ausdrücklich betonen wollte.

Warum aber überhaupt diese Kritik an Jitro? – Diese Frage ist damit zu beantworten, dass die Stämme mit der Verunglimpfung des Pinchas gleichzeitig die Ehre von Israel und von Moses verteidigen wollten. Simri hatte doch die Midianiterin ins gebracht, "vor den Augen von Moses und vor den Augen der ganzen Gemeinschaft der Israeliten" (Numeri 25, 6). Und unter all den vielen Menschen, die es sahen, war es allein Pinchas, der sich aufraffte, diese G-tteslästerung zu ahnden. Gewiss kannten alle anderen die Gesetzesvorschriften so gut wie er, waren diese doch dem ganzen Volke gemeinsam übermittelt worden (vgl. Raschi zu Ex. 24, 32). Ganz zweifellos kannte Moses sie (vgl. Raschi zu Num. 25, 7). Also hatte die Tatsache, dass Pinchas der einzige war, der handelte, Israel und Moses beschämt.

Deshalb versuchten sie, Pinchas unlautere Motive zu unterstellen. Sie deuteten an oder sagten ausdrücklich, dass zu Pinchas' Charaktermerkmalen eine gewisse Grausamkeit gehörte, die er von Jitro geerbt hatte, und die bei seiner Motivierung zumindest mitgespielt hatte. Ihre Verteidigung ihrer eigenen Unterlassungssünde bestand darin, ihm vorzuwerfen, nicht bloß sein Gewissen, sondern seine angeborene Grausamkeit hätten ihn angetrieben: "Wir selbst sind ja nicht so grausam. Deshalb haben wir gezögert."

Jetzt lässt sich verstehen, weshalb die Tora auf die Abstammung einen so großen Wert legt, dass sie den Stammbaum hier nochmals angibt: Pinchas war nicht nur der Enkel Jitros, sondern gleichfalls der Enkel Aarons. Raschis Wortwahl hier ist derart, dass die entscheidenden Worte "der Sohn Aarons" sind. Denn dieser war es doch, der (nach Raschi zu Numeri 20, 29) "dem Frieden nachjagte und unter streitenden Parteien Liebe aufkommen ließ." So auch hier bei Pinchas: Ein Streit war zwischen den Israeliten und G-tt ausgebrochen, und da eben strebte Pinchas danach, die Liebe an die Stelle des Zankes treten zu lassen. In G-ttes eigenen Worten (Num. 25, 11): "Pinchas ... hat Meinen Zorn abgewendet."

Dies denn war die wirkliche Motivierung für Pinchas' Ereiferung, nämlich die tiefe Liebe, die er von Aaron geerbt hatte, und der Wunsch, die zwischen G-tt und Seinem Volke ausgebrochene Verbitterung rückgängig zu machen. Und so kann G-tt auch sehr folgerichtig sagen, obwohl Pinchas nicht ein Führer seiner Generation und (noch) nicht ein Priester war (Numeri 25, 12): "Siehe, Ich gebe ihm Meinen Friedensbund."