Gegen Ende der Sidra Chukat berichtet die Tora vom Kampfe mit dem König von Baschan, dem Riesen Og (Numeri 21, 33-34): "Sie wandten sich ab und zogen den Weg nach dem Baschan hinauf; doch Og, der König von Baschan, zog ihnen entgegen, er und sein ganzes Volk. Da sprach G-tt zu Moses: 'Fürchte ihn nicht, denn in deine Hand habe Ich ihn und sein ganzes Volk und sein Land gegeben; verfahre mit ihm, wie du es mit Sichon, dem König der Emoriter, getan hast, der in Cheschbon residierte.'"

Dann kam es zum Kampfe. Og riss einen drei Parsa’ot (persische Meilen) großen Fels heraus – im Umfang so groß wie die Dimension des ganzen Lagers der Israeliten (s. Raschi zu Numeri 33, 49). Diesen Fels wollte er auf das Volk Israel werfen. Bevor es jedoch dazu kam, tötete Moses ihn; in den Worten der Tora (Vers 35), "sie schlugen ihn und seine Söhne und sein gesamtes Volk".

Auffallend und in der Tat seltsam ist, dass G-tt erst ausdrücklich die Versicherung geben musste: "Fürchte ihn nicht." Wie konnte es sein, dass der große Führer Israels, der mit Entschlossenheit und Festigkeit dem Pharao und allen anderen Feinden begegnet war, plötzlich einer Versicherung bedurfte, noch mehr als alle anderen Israeliten? Warum überhaupt muss die Tora Moses' persönliche Furcht betonen? Wenn schon Moses vor Og Angst hatte, dann muss das Volk doch vor ihm wahrhaft gezittert und gebebt haben!

Die Antwort ist, dass Moses’ Frucht vor diesem Riesen durchaus nicht gleich der Furcht des Volkes war. Die Israeliten betrachteten Og lediglich von der physischen Seite her, während Moses ihn unter spirituellen Auspizien wahrnahm. Was das Volk in Og sah, das war allein ein gewaltiger Klotz von einem Heiden; und eigentlich fürchteten sie ihn überhaupt nicht, denn sie vertrauten auf die Wirksamkeit von Moses' Gebet. (Dass dies tatsächlich die Haltung des Volkes war, erhellt zum Beispiel aus der gerade vorangegangenen Episode – Numeri 21, 32 und Raschi z. St. – des Verhaltens derjenigen, die zu jener Zeit ausgesandt worden waren, um Ja'aser auszukundschaften. Obwohl sie nur beauftragt worden waren, den Platz auszukundschaften, hatten sie so viel Vertrauen auf die Wirksamkeit von Moses' Gebet, dass sie ihn auf eigene Initiative hin eroberten).

Moses dagegen, der den geistigen Aspekt begriff, sah in Og "das Verdienst Abrahams". Viele Jahre vorher, als Abrahams Neffe Lot in Kriegsgefangenschaft war, war dieser Riese Og, damals gleichfalls Kriegsgefangener, aus der Haft entkommen, und er war es, der Abraham dann Nachricht von dem ganzen Unheil brachte. Abraham, der seinen Neffen Lot fast wie einen Bruder behandelte, verfolgte Lots Feinde mit einem bewaffneten Trupp, besiegte sie und befreite seinen Neffen (Genesis 14, 13-16). Ogs Verdienst war es also, aktiv zur Rettung von Abrahams Familie beigetragen zu haben. Moses befürchtete nun, dass eben dieses Verdienst für Og eine geistige Waffe wäre, so dass er aufgrund dieses Verdienstes gegen physische Angriffe gewappnet sein könnte. Da denn kam G-ttes Versicherung: "Fürchte ihn nicht, denn in deine Hand habe Ich ihn ... gegeben." – Moses' eigene Größe, seine-geistige Statur, sein Verdienst würde ausreichen, um mit Og fertig zu werden.

Am Ende sollte sich allerdings herausstellen, dass es des Geistes Moses' nicht einmal bedurfte um Og zu besiegen, hatte dieser doch durch seine eigenen Taten jede Spur eines vordem einmal besessenen Verdienstes selbst ausgelöscht. Denn als er versuchte, den riesigen Fels auf das ganze Lager der Israeliten zu schleudern, machte er genau damit seine Absicht klar, jeden einzelnen Nachkommen Abrahams zu vernichten; und damit zerstörte er allen Kredit für sich, einst Abrahams Familie gerettet zu haben. Damit war Ogs "Verteidigungsmauer" eingestürzt, und Moses erschlug ihn eigenhändig (s. Talmud, Brachot 54a, und Raschi zu Exodus 22, 1 aufgrund von Sanhedrin 72a und b).