Die Vorschrift von "Para Aduma" ("Rote Kuh") steht am Anfang der dieswöchigen Sidra, eingeleitet mit den Worten (Num. 19, 2): "Dies ist eine Satzung der Tora …" Der Ausdruck "Chukat" – eine Satzung, deren Grund uns nicht erschlossen ist – kommt hier deshalb zur Anwendung, um zu betonen, dass dieses Gesetz G-ttes zu beachten ist, obwohl es mit den Regeln der Vernunft nicht erklärbar ist. In einem tieferen und erweiterten Sinne müssen natürlich alle Mizwot, selbst die "verständlichen", in völliger Ergebenheit unter G-ttes Herrschaft ausgeführt werden, so als seien sie alle unfassbare Satzungen.

Unter ähnlichen Gesichtspunkten ist die Anweisung zu verstehen (Sprüche der Väter 2, 1): "Sei bei einer leichten Mizwa ebenso gewissenhaft wie bei einer schweren, denn du kennst ja nicht den Lohn für Mizwot." Diese kategorische Feststellung bedarf allerdings einer Erklärung, ist es doch die Tora selbst, die bei einer ganzen Reihe von Vorschriften die Strafen anführt, die denjenigen erwarten, der sie übertritt oder nicht einhält.

Bei der Ausführung von Mizwot kommen zwei verschiedene Prinzipien zur Anwendung und zwar: erstens gehorsame Unterwürfigkeit unter den Willen G-ttes, und zweitens die "veredelnde" Eigenschaft der Mizwa als solcher.

Was die Unterwürfigkeit unter G-ttes Willen betrifft, so besteht dabei kein Wesensunterschied zwischen einer Mizwa und einer anderen; alle, ob groß oder klein, sind gleichwertig darin, dass sie G-ttes Anordnungen, die befolgt werden müssen, zum Ausdruck bringen. Wie es die chassidische Philosophie sieht: "Wäre uns von G-tt befohlen worden, Holz zu fällen, dann hätten wir dies mit demselben freudigen Gehorsam getan, wie wir ihn unter Beweis stellen, wenn wir Tefillin legen."

Die zweite genannte Eigenschaft der Mizwot ist anderer Natur; sie besteht darin, dass sie den Charakter der Person veredeln, die die Vorschrift ausführt (s. Bereschit Rabba, Anfang von Kap. 44), ebenso wie sie auch die physischen Gegenstände, die dabei benutzt werden, "veredeln" oder "vergeistigen" (also zum Beispiel das Leder Tefillinriemen, die Wolle der Zizit und dgl.). In diesem Lichte gesehen ist dann jede Mizwa, bei ihrer Ausführung, von einzigartiger Wirkungskraft auf die Person wie auch auf die Umgebung.

Gewiss gibt es eine Belohnung für die "veredelnde" Eigenschaft von Mizwot. Diese Belohnung ist eine beschränkte, sie wird je nach Einhaltung und Resultat der Mizwa gemessen. So hat eine "leichte" Mizwa, deren "vergeistigende" Auswirkung auf die Person und die Umgebung begrent ist, einen kleinen Lohn zur Folge – wie auch eine verhältnismäßig leichte Strafe für ihre Nichteinhaltung. Viel ernster ist es, wenn Mizwot nicht getan werden, die von großem Einfluss auf Person und Milieu sind; da sind Strafe und Lohn entsprechend groß (s. Tanja, Kap. 24).

Dazu kommt dann noch die Belohnung schlicht für die Bereitschaft, dem Willen G-ttes gehorsam zu sein. Der Lohn hierfür unterliegt keinen Schwankungen, er ist bei einer "großen" Mizwa nicht anders als bei einer "kleinen"; denn G-ttes Wille ist überall gleich. Es ist im Hinblick auf diese uneingeschränkte, unmessbare Belohnung, dass die oben zitierte, unmessbare Mischna aus den "Sprüchen der Väter" die Feststellung macht: "Denn du kennst ja nicht den Lohn für Mizwot". Die Bedeutung also ist: Du kannst dir keinen Begriff darüber machen.