Unsere Parascha enthält eine äußerst merkwürdige Geschichte: Eine Gruppe von zwölf Männern, die den g-ttlichen Auftrag erhielten, ein Land auszukundschaften und dann Bericht zu erstatten, kehrten aus diesem Land zurück und bewegten das ganze jüdische Volk dazu, jegliche Hoffnung auf die Eroberung des Landes aufzugeben und den Glauben an G-tt zu verlieren. Diese Männer waren, wohlgemerkt, keine einfache oder gar unwürdige Menschen. Ganz im Gegenteil: Sie waren Stammesfürsten, das höchste Amt, welches zum damaligen Zeitpunkt erreicht werden konnte. Sie wurden von G-tt selbst dazu auserwählt, diese Mission zu erfüllen und enttäuschten dennoch. Wie kann man sich das erklären?
Die Tora gibt kein Motiv für dieses unerklärliche Verhalten an. Was konnten ihre Beweggründe gewesen sein? Hatten sie wirklich ihren Glauben in G-tt verloren oder wollten sie vielleicht in der Wüste bleiben?!
Die Antwortet lautet: Ja. Sie wollten zusammen mit dem ganzen Volk in der Wüste bleiben. Aber nicht weil sie etwa ihren Glauben an G-tt verloren hatten, sondern im Gegenteil, weil sie befürchteten, dass dies im Lande Israel geschehen könnte:
In der Wüste wurde das Volk die ganze Zeit über von einer g-ttlichen Wolken- und Feuersäule geführt. Außerdem kam ihre Speise vom Himmel und ein Brunnen begleitete das Volk auf all seinen Reisen. So war das Volk damals völlig von der Außenwelt, ja selbst von den Realitäten einer materiellen Welt abgeschirmt, da sie keinerlei finanzielle Verantwortung trugen und auch keine eigenständigen Entscheidungen treffen mussten. In einem geistigen Sinn war diese Situation geradezu ideal: Von materiellen Sorgen völlig befreit, konnten sie sich ungestört dem Torastudium und den Geisteswissenschaften widmen. Im „Gedanke- der letzten Woche wurde schon das Zitat unserer Weisen erläutert, welches besagt, dass die Tora nur von denen erfasst wurde, welche Man assen.
Diese Situation wollten die Stammesführer beibehalten. Auf keinen Fall sollte das Volk nach Israel gelangen. Dort müsste sich nämlich jedermann mit der Agrikultur beschäftigen, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Unter solchen Umständen, befürchteten die Spione, würde das Volk allmählich gänzlich im Materialismus versinken und sich von seinem geistigen Urquelle entfernen.
Um dieser Befürchtung entgegenzuwirken, brachten die Spione das Volk dazu, die Eroberung abzulehnen und in der Wüste bleiben zu wollen. Doch sie hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Obwohl das Volk nun noch vierzig Jahre in der Wüste blieb, war dies keineswegs eine Errungenschaft. Es war eine Strafe. Und die Initianten wurden sogar an Ort und Stelle durch eine schwere Seuche bestraft.
G-tt wollte nicht, dass das Volk sich weiterhin vor der Welt absondere und in einem Vakuum geistige Höhen erreiche. Dies ist nicht das Ideal der Tora. Es war und ist die Aufgabe der Menschen, in dieser Welt, mit allen Sorgen und Pflichten welche damit zusammenhängen, eine geistige Atmosphäre zu schaffen. Dies konnte nur in Israel erreicht werden. Somit wurde es dem Volk zur Strafe, in der Wüste bleiben zu müssen, da es nun realisierte, dass es dem Lebenszweck keinen Schritt näher gekommen, sondern sich von ihm entfernt hatte.
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