Als ich mit einer Freundin mit dem Rucksack durch Europa fuhr, waren wir genervt vom Verhalten der Touristengruppen, auf die wir mitunter stießen.

Ich spreche nicht von randalierenden Hooligans. Diese waren ärgerlich, aber das hier war schlimmer. Betrunkene Randalierer mögen dem Herdentrieb folgen, sie prügeln und betrinken sich, aber irgendwie drücken sie immer noch ein gewisses Maß an Autonomie hinter all dem Kleingeist aus.

Was unseren Ärger und unsere Geringschätzung provozierte, waren aber die organisierten Touristengruppen. Alle einheitlich gekleidet, bis hin zu diesen leuchtenden Kappen, stiegen sie in ihre Busse oder verließen sie, immer dem Willen ihres Reiseführers folgend. Sie tappten in überteuerte Touristenfallen, um identische Teelöffelsets, Postkarten und andere nutzlose Dinge zu erstehen. Wir wunderten uns, warum sie überhaupt gekommen waren.

Wenn du darauf bestehst, in derselben Fastfoodkette zu essen wie zuhause, jeden Tag mit derselben Meute herumhängst und keinen ernsthaften Versuch startest, die örtliche authentische Kultur kennen zu lernen, warum bleibst du dann nicht einfach zuhause, sparst dein Geld und bestückst dein Fotoalbum mit digitalen Fotomontagen von dir selbst, wie du vor den berühmtesten ausländischen Attraktionen stehst?

Wir waren anders. Wir waren keine Touristen, sondern Rucksackreisende. Wir hausten in den letzten Absteigen und weigerten uns, uns von Reiseführern den Tag organisieren zu lassen. Wir packten unsere Taschen in Venedig, nahmen von Wildfremden Einladungen zum Schabbat an, liefen unsere Lederschuhe auf dem Kopfsteinpflaster in Paris ab und kamen schließlich zurück mit einer wesentlich höheren Wertschätzung und einem besseren Verständnis fremder Kulturen, als wir es je in einer sterilen Touristenumgebung im Reisebus mit Airkondition erreicht hätten.

Jedenfalls dachten wir das.


Wir erfahren in dieser Woche etwas über die Tragödie, die über das jüdische Volk hereinbrach, nachdem sie den Berichten von zehn Spionen Glauben geschenkt hatten. Die Spione kehrten zurück mit wilden Geschichten über die Unfruchtbarkeit des Landes Kanaan und der unvermeidlichen Gefahr, in die sie geraten würden, wenn sie die Wüste verließen und das Land erreichen würden. Nachdem das jüdische Volk einen ganzen Abend damit verbrachte zu weinen, sich zu beklagen und ihren Glauben zu bedauern, strafte G-tt sie, indem er verfügte, dass sie nicht wie anfangs geplant, auf direktem Wege ins Gelobte Land ziehen würden, sondern ganze vierzig Jahre zusätzlich in der Wüste verbringen mussten.

Als Mose zu Beginn davon sprach, Spione auszusenden, um die beste Art, das Land zu erobern, herauszufinden, sprach er nicht über Spione oder Kundschafter, sondern über „Touristen“.1 Ein Spion muss stets in Alarmbereitschaft sein, er plant und heckt verschiedene Möglichkeiten aus, um an Informationen zu gelangen. Diese liefert er an seine Basis und greift dann auf die effektivste Möglichkeit zurück. Ganz im Gegensatz dazu Touristen – sie gleiten fröhlich über die Oberfläche des Landes, gefühllos und unbeeindruckt von dem, was sie sehen oder auf den sie treffen.

Als sie ihre Touristenmission aufgaben, und zu Spionen wurden, waren diese Männer anscheinend in einer Position, in der sie wesentlich nützlichere Dienste erbrachten und bessere Informationen an die in der Wüste Wartenden liefern konnten. Mose hatte sie angewiesen, mit Fakten zurück zu kehren. Fakten über die örtliche Bestimmung der Städte, die sie erobern wollten, die relative Stärke ihrer Verteidigungskräfte, den Charakter der Anwohner und die Produktivität des Landes. Eine Art von Material, das entdeckt worden wäre bei der örtlichen Entsprechung zu „Lonely Planet“ oder „Let´s go Canaan.“ Ganz von selbst wurden sie dann zu Spionen.2 Sie schätzten die Quantität der Verteidigungskraft des Feindes ab und verglichen diese mit dem, was die Israeliten zur Verfügung hatten. Sie stellten eine Kosten-Nutzen-Analyse auf und wogen ab zwischen den Vorteilen und Risiken einer Invasion und entschieden selbstständig und unabhängig, dass sie besser daran täten, in der Wüste zu bleiben.

Und genau dies war ihr Fehler. Mose hatte sie nicht darum gebeten, zu spionieren, weil wir nicht wissen mussten, ob das Ziel erreichbar war. G-tt hatte uns bereits aufgefordert, ins Land zu gehen und es zu erobern und wir erwarteten, erfolgreich zu sein. Moses einziges Anliegen war es, wie er am besten das von G-tt erwünschte Resultat erzielen konnte. Indem sie in Mosches ausdrücklichen Wunsch störend eingriffen, und den ganzen Prozess mit ihren eigenen Wünschen und Erwartungen verunreinigten, verursachten sie ein Desaster.

Als meine Freundin und ich auf Rucksacktour durch Europa waren, brüsteten wir uns selbst damit, wie autonom und selbstständig wir unseren Lebensweg gehen können und dass gerade diese Art von Unabhängigkeit so vorbildlich sei. Es gibt hingegen Zeiten, in denen wir besser daran tun, „über all dem zu bleiben“, das zu tun, was von uns verlangt wird und entsprechend G-ttes Plan unser Leben zu gestalten.

Wenn wir unter direkter Anweisung handeln, ob von der Tora oder einem Propheten instruiert, kann eine künstliche Einbringung unserer eigenen unabhängigen Vorlieben, Abneigungen und Wünsche töricht sein und könnte vielleicht dazu führen, dass wir Jahre damit verbringen, uns zu wundern und endlos durch eine öde Wüste verlorener Möglichkeiten zu wandern.