In einer Demokratie und im jüdischen Gesetz regiert die Mehrheit. Ein Bet Din (jüdischer Gerichtshof) muss immer aus einer ungeraden Zahl von Richtern bestehen, damit es immer eine Mehrheitsmeinung gibt. Aber manchmal irrt sich die Mehrheit. Das zeigt der neue Wochenabschnitt, in dem es um die zwölf Kundschafter geht, die Mosche ins Gelobte Land schickt. Nur zwei von ihnen, Joschua und Kaleb, bleiben Mosche und ihrem Auftrag treu und glauben G–ttes Versprechen, das Land sei gut. Die anderen Zehn werden abtrünnig.
Die Kundschafter sollten herausfinden, wie man Kanaan am besten erobern konnte. Anstatt diesen Auftrag zu erfüllen, lieferten zehn von ihnen einen negativen Bericht, der das Volk einschüchterte, so dass es sich fürchtete, ein wildes Land, „das seine Bewohner verschlingt“ zu betreten. Die klare Schlussfolgerung des Mehrheitsberichts lautete: „Das schaffen wir nicht!“
Daraufhin beklagte sich das Volk bei Mosche und warf ihm sogar vor, dass er es aus Ägypten geführt hatte. Deshalb entschied G–tt, diese Generation sei des kostbaren Gelobten Landes nicht würdig. Zudem wurde dieser Tag der grundlosen Klage auch für künftige Generationen ein Tag der Tränen. Unsere Weisen sagen, es sei der neunte Aw gewesen, der Tag, an dem später unser heiliger Tempel zerstört wurde und an dem es in der Geschichte der Juden noch viele andere Katastrophen gab.
Warum hielt sich das Volk nicht an die zwei treuen Kundschafter Joschua und Kaleb? Die Antwort liegt auf der Hand: Sie wurden überstimmt. Zehn gegen Zwei – ein ungleicher Kampf! Die Mehrheit siegte. Es war tragisch, dass das Volk auf die Falschen setzte und deshalb viele Jahre durch die Wüste irren musste, eine Tragödie für uns alle bis zum heutigen Tag.
Selbst wenn wir aufrechte Demokraten sind, müssen wir also einräumen, dass die Minderheit manchmal Recht hat. Der heilige Rabbi Jisroel Meir Hakonen Kagan, besser bekannt als „Chofez Chaim“ wurde einst von einem etwas zynischen Juden gefragt: „Sagt nicht die Tora selbst, dass wir der Mehrheit folgen müssen? Nun, die überwältigende Mehrheit der heutigen Juden ist nicht religiös. Das heißt, die religiösen Juden müssen sich uns anschließen!“
Der Chofez Chaim antwortete mit einer Geschichte: „Neulich kehrte ich mit der Kutsche von einer wichtigen Reise heim. Unterwegs verteilte der Kutscher großzügig Wodka an die Passagiere, damit sie es warm hatten und zufrieden waren. Auch er trank mehr, als gut für ihn war. Wir kamen an eine Kreuzung, und ein Streit brach aus. Die meisten Leute behaupteten, wir müssten nach links fahren, Ich war einer der Nüchternen und wusste genau, dass wir rechts abbiegen mussten. Nun frage ich dich, mein Freund: Hätte ich der Mehrheit folgen sollen? Sie waren sinnlos betrunken und unzurechnungsfähig. G–tt sei Dank, setzte ich mich durch.“
Die Werte und Urteile „der Welt“ sind allzu oft falsch. Einerlei, wie gering die Zahl der moralischen Menschen sein mag, sie werden weiter dem Pfad des Anstandes und der Vernunft folgen. Wir Juden haben das Zahlenspiel immer abgelehnt. Wir waren immer das kleinste Volk und sind nicht wegen unserer Mehrheit, sondern wegen unserer Moral bekannt.
Vor nicht allzu langer Zeit – ich glaube, es war zur Zeit des angeblichen „Jenin-Massakers“ – fragte Kofi Annan: „Kann die ganze Welt Unrecht und Israel Recht haben?“ Raten Sie mal. Ja, die ganze Welt lag falsch, und Israel lag richtig. Es gab gar kein Massaker!
Meine Frau war viele Jahre lang Gymnasiallehrerin. Einmal bat eine ehemalige Schülerin sie um ein Gespräch. Sie war jetzt eine junge Frau, und alle hielten sie für verrückt, weil sie unberührt in die Ehe gehen wollte. Nun wollte sie von meiner Frau wissen, ob sie wirklich den Verstand verloren hatte.
Allzu oft ist die Welt total meschugge und benimmt sich wie ein Betrunkener. Wir brauchen einen starken Charakter, um uns dieser betrunkenen Mehrheit zu widersetzen. Möge G–tt uns helfen, Männer und Frauen mit starkem Geist zu sein. Möge er uns den Mut schenken, aufzustehen und uns zählen zu lassen, selbst wenn wir einsame Rufer in der Wüste sind. Andernfalls erfüllt sich unser Schicksal vielleicht nie.
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