Als Mose und Ahron vor Pharao traten und die Befreiung des hebräischen Volkes aus der Sklaverei forderten, befahl Pharao: Warum Mose und Ahron stört ihr das Volk bei seiner Arbeit? Geht, macht euch an eure Lastarbeiten!1 Welche Arbeit meinte der Pharao?
Darauf erklären unsere Weisen, dass Mose und Ahron, wie der gesamte Stamm Lewi, vom Sklavendienst befreit waren. Deshalb erwiderte ihnen Pharao: „Ihr seid doch von der Knechtschaft befreit. Kümmert euch um eure Aufgabe und stört das Volk nicht bei seiner!“2
Warum war der Stamm Lewi von der Sklavenarbeit befreit? Erklärt Ramban:3 „Es ist überall ein anerkanntes Gesetz, dass jedes Volk seine Gelehrten haben darf.“4 Auch Pharao respektierte dieses Bedürfnis und gab dem Stamm Lewi die Freiheit, sich dem Thorastudium zu widmen und sich um die religiösen Bedürfnisse der Hebräer zu kümmern.
Gleiches Recht für alle!
Aus diesem Blinkwinkel betrachtet, bekommt der Dialog zwischen Mose, Ahron und dem Pharao eine viel tiefere Bedeutung. Mose und Ahron forderten, dass jeder Hebräer das Recht hätte, G-tt dienen zu dürfen. Pharao hingegen tolerierte zwar, dass der Stamm Lewi G-tt dienen könnte – doch das ganze Volk Israel kam für ihn gar nicht in Frage.
„Geht ihr eure heiligen Schriften studieren“, erwiderte Pharao, „aber mischt euch nicht in Angelegenheiten anderer ein! Wagt es nicht die Ordnung Ägyptens anzutasten!“
Im Sohar steht geschrieben, dass zu jener Zeit Ägypten das Zentrum des Wissens und Pharao selbst ein großer Gelehrter war.5 Wenn wir seine Behauptungen näher betrachten, erkennen wir, dass sie ein ganzes Weltbild vertreten!
Arbeit und Thora
Der Pharao kämpfte nicht gegen den Glauben der Hebräer an. Er, als gelehrter Mensch, achtete die Thora und war sich sogar ihrer Wichtigkeit bewusst, bis er ihr Studium durch einen ganzen Stamm zuließ. Aber er forderte eine eindeutige Trennung der Systeme – die Thora auf der einen Seite und das Staatswesen (die Weltlichkeit) auf der anderen. Auf keinen Fall tolerierte er eine Einmischung der Thora in weltliche Angelegenheiten. Er erkannte Mose und Ahron als geistige Führer an, aber forderte von ihnen, sich ausschließlich ihrem Bereich zu widmen und „in der Synagoge Ordnung zu schaffen“, doch die arbeitenden (und dadurch weltlichen) Hebräer brauchten mit dem G-ttesdienst nichts zu tun zu haben!
Diese Behauptung hört man auch heute noch, auch wenn sie milder formuliert wird. Doch sie ist nicht jüdischen Ursprungs, sondern stammt vom Pharao.
Mehr als jede andere Religion, ist es gerade das Judentum, welches eine Verbindung zwischen Religion und Weltlichkeit fordert. Und in der Aufgabe eines jeden Juden, wie weltlich er auch sein mag, liegt es, die Thora und die Mitzwot zu erfüllen. Denn die Thora wurde dem jüdischen Volk gegeben, nicht damit es sich wie ein Mönchstum von der Welt abschirme, sondern ein Leben in all seinen Bereichen mit der Thora führe. Deshalb befasst die Thora unser ganzes Leben, denn sie ist unser Wegweiser auf allen Gebieten.
Und wie steht es mit ihm?
Weiters lernen wir aus dem Dialog zwischen Mose, Ahron und Pharao, dass man sich nicht nur um seine Religiosität kümmern darf. Wie kann man Thora und Mitzwot erfüllen, ohne sich dafür zu interessieren, wie es anderen Juden dabei geht?! Die ganze Thora basiert doch auf Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst!6
Für Pharao war das überhaupt kein Problem. Er hatte sogar ein Argument: Er „kümmerte“ sich doch bereits um die Religiosität eines ganzen Stammes. Und hätten Mose und Ahron auch so gedacht, wäre das hebräische Volk nie aus Ägypten ausgezogen. Aber sie waren entschlossen, alles zu tun, sodass jeder Hebräer die Thora studieren und Mitzwot erfüllen könne, obwohl sie selbst diese Freiheit bereits hatten und sie weiter ungestört genießen könnten...
(Likutej Sichot, Band 16, Seite 29)
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