I. „Der Pharao befahl seinem ganzen Volk und sagte: Jeden Sohn, der geboren wird, sollt ihr in den Fluss werfen, und jede Tochter Techajun (erhaltet am Leben; sollt ihr am Leben lassen).“1
Dieser Vers wirft die folgende Frage auf:2 Warum sagte der Pharao: „Jede Tochter erhaltet am Leben?“ Er wollte nur, dass alle Jungen in den Fluss geworfen werden, während ihn das Schicksal der Mädchen nicht zu interessieren schien.3 Der Wortlaut unseres Verses lässt jedoch vermuten, dass auch der letzte Satz ein hartes Urteil war.
Das Wort Techajun bedeutet nämlich: „Ihr sollt ihr Leben erhalten.“ Der Pharao befahl den Ägyptern, die jüdischen Jungen in den Fluss zu werfen, um ihren physischen Tod herbeizuführen. Denselben Ägyptern sagte der Pharao, dass die Mädchen, die physisch am Leben bleiben würden, von ihnen am Leben erhalten werden müssten, d. h., in der ägyptischen Lebensweise aufgezogen werden müssten, um ihre Seelen zu töten.
Dies erklärt den Unterschied zwischen den Befehlen an die jüdischen Hebammen und die Ägypter: Die jüdischen Hebammen wurden einfach angewiesen, die Mädchen in Ruhe zu lassen: „Wenn es ein Mädchen ist, Wachaja (soll sie leben bleiben)“4, im Gegensatz zu Techajun. Der Pharao hoffte, dass es ihnen dadurch leichter fallen würde, seinen Befehl, die Jungen zu töten, auszuführen.
Da die Tora beide Dekrete im selben Vers erwähnt, deutet dies darauf hin, dass „Jede Tochter Techajun“ ein nicht weniger hartes Dekret ist als „Jeden Sohn, der geboren wird, sollt ihr in den Fluss werfen.“ Die Seele zu zerstören ist genauso hart, wie den Körper zu töten, ja sogar schlimmer – denn der geistige Tod ist schlimmer als der körperliche Tod.5
II. Das Dekret „Jede Tochter Techajun“, jüdische Kinder in den Sitten und Gebräuchen Ägyptens zu erziehen, wird bereits im ersten Dekret „Jeden Sohn ... sollt ihr in den Fluss werfen“ angedeutet.
Der Nil war eine Natur-Gottheit Ägyptens. Die Ägypter verehrten den Nil aus dem einfachen Grund, weil er die Quelle ihres Lebensunterhalts ist. Denn in Ägypten gibt es keinen Niederschlag, und der Nil sorgt für die notwendige Bewässerung ihrer Felder.6
„Die Kinder in den Fluss werfen“ hat zwei Bedeutungen: (a) die physische Galut Ägyptens – um den jüdischen Körper zu zerstören; (b) die geistige Galut Ägyptens – Israel in den Götzendienst und Hedonismus Ägyptens zu werfen, um seine Seele zu zerstören. Denn ein Fluss ist ein Gewässer – das Symbol des Vergnügens (da Wasser die Vermehrung aller Arten von Vergnügen verursacht).7
III. Die ägyptische Galut ist die Wurzel aller nachfolgenden Exile.8 Daraus folgt, dass die harten Dekrete der ägyptischen Galut in jeder nachfolgenden Galut vorherrschen – einschließlich unserer eigenen, der gegenwärtigen.
Auch heute gibt es einen „Pharao, König von Ägypten.“ D. h., es gibt einen vorherrschenden Geist und Druck der Gesellschaft, (a) jüdische Kinder in das Meer der Sitten und Gebräuche der Galut-Umgebung zu werfen, damit diese Kinder in diesem Meer untertauchen und ertrinken, in der Annahme, dass dies ihren Lebensunterhalt sichern würde; und (b) „jüdische Kinder in die Mauern und Gebäude von Pitom und Raamses“9 einzuschließen – d. h., dass sie sich mit jenen Angelegenheiten beschäftigen, die die grundlegenden Merkmale und Bestrebungen dieser Gesellschaft sind.
Wir müssen erkennen, dass alle Strategien des „Kommt, lasst uns mit Ihm schlau umgehen – d. h. mit ihrem G-tt“10 vom „Pharao, dem König von Ägypten“ stammen, dessen einziges Ziel es ist, dass, G-tt bewahre, kein einziger Überrest und Überlebender des Judentums, der jüdischen Seelen und damit zwangsläufig des jüdischen Lebens übrig bleibt.
Wir müssen uns also mit aller Kraft gegen solche Dekrete wehren und unsere Kinder im wahren Geist des historischen Israel erziehen.
IV. Praktisch gesprochen: Wenn es um die Erziehung der Kinder geht, muss und darf man sie nicht in den „Nil“, d. h., in den Götzendienst des jeweiligen Volkes eintauchen. Man darf die Kinder nicht im „Karrierestreben“ ertränken. Der einzige Weg zum wahren Leben ist eine vollständige Erziehung in unserer Tora, die die „Tora des Lebens“ ist.
Es macht keinen Sinn, andere Eltern zu betrachten, deren Kinder gut versorgt zu sein scheinen – der eine mit einem Haus und der andere mit einem Auto; der eine ist ein Arzt und der andere ein Anwalt oder zumindest ein Schuhputzer – und zu denken, dass ein Kind, das auf eine Jeschiwa geschickt wird, zu einem faulen und unpraktischen Menschen heranwächst, der nicht einmal Schuhe putzen kann, weil er nicht weiß, wie man eine Bürste hält.
In Wahrheit ist es der Allmächtige, der alles erhält und für alles sorgt. Wenn wir Seinen Willen erfüllen, wie es heißt: „Und diese [Worte der Tora] sollst du deine Kinder fleißig lehren, und du sollst von ihnen reden, wenn du in deinem Haus weilst und wenn du auf deinem Weg gehst, wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst,“11 dann wird Er unsere Bitten an Ihn für uns und unsere Kinder erfüllen.
Die Kinder dürfen nur solchen Lehrern anvertraut werden, die selbst von unserer Tora, der Tora des Lebens, beseelt sind und die dem Grundsatz „Und du sollst nach ihnen leben“12 folgen – d. h. nach den Mizwot der Tora. Diese Lehrer wiederum sollen die Kinder zu einer Lebensweise erziehen, die von Tora und Mizwot vorgegeben wird. Dies ist der einzige Weg, um unsere eigenen Kinder zu retten, und durch sie die gesamte jüdische Nation.
V. Die ägyptische Galut war, wie gesagt, der Präzedenzfall und die Quelle für alle nachfolgenden Exile, und so sind ihre Verordnungen auch heute noch gültig. Dasselbe gilt für die Erlösung, denn es heißt: „Wie in den Tagen deines Auszugs aus Ägypten werde Ich ihm [dem Volk] wunderbare Dinge zeigen“:13 Die kommende Erlösung wird der Erlösung aus Ägypten entsprechen. Das bedeutet, dass die Aspekte und Vorbereitungen, die die bevorstehende Erlösung herbeiführen werden, denen ähnlich sein sollen, die die Erlösung aus Ägypten herbeigeführt haben.
Von dieser ersten Erlösung heißt es: „Durch die gerechten Frauen jener Generation wurden unsere Vorfahren aus Ägypten befreit.“14 Was war die besondere Tugend dieser Frauen? Sie zogen eine Generation von Juden auf! Auf den Erlass des Pharaos, jeden neugeborenen Sohn in den Fluss zu werfen, reagierten sie mit dem Argument, man solle dem keine Beachtung schenken.15 Wenn es ein G-ttliches Gebot gibt, muss es allein befolgt werden, ohne mögliche Eventualitäten zu berechnen. Dank dieser rechtschaffenen Frauen wurden unsere Vorfahren aus Ägypten befreit.
Auch heute darf man in allen Ländern und besonders in Amerika den weltlichen Belangen der Umgebung und den Eventualitäten der Zukunft keine Beachtung schenken. Die Kinder müssen so erzogen werden, wie es der Allmächtige bestimmt hat, und Er wird mit Sicherheit sowohl für die Kinder als auch für ihre Eltern sorgen.
Gerade dadurch, dass wir das Dekret des Pharao ignorieren, retten wir unsere eigenen Kinder und werden die allgemeine Erlösung für das gesamte jüdische Volk durch unseren gerechten Maschiach rasch herbeiführen.
(Adaptiert aus Sichot gehalten an Pessach 5712 und Pessach 5714)
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