Die Welt liebt Helden. Darum muss Hollywood jedes Jahr neue Helden und Superhelden erfinden, damit die Kinokassen klingeln. Und es klappt. Warum? Nun, das ist heute nicht unser Thema. Heute wollen wir überlegen, was ein Held ist.

Superhelden sind fantastisch, aber sie existieren in einer anderen Welt außerhalb unserer Reichweite. Wir können in unserer Fantasie durch die Luft fliegen, Hochhäuser hinaufklettern und entführte Frauen retten. Aber das ist und bleibt Wunschdenken. Welche Bedeutung hat es für uns und unser Leben? Nicht viel.

Darum hat Noach mir immer so gut gefallen. Er ist ein Held aus dem wahren Leben, kein Supermann, sondern ein Mensch, dem wir nacheifern können. Raschi nennt ihn einen „Mann des Glaubens“, der zweifelte, ob es wirklich eine Flut geben würde. Der große Kommentator schreibt, Noach habe die Arche erst dann betreten, als es zu regnen begann und das Hochwasser ihn hineintrieb. Darum sehen manche Menschen auf ihn herab, vor allem wenn sie ihn mit anderen biblischen Helden wie Awraham oder Mosche vergleichen.

Doch eben deshalb ist Noach mein Held. Er ist echt. Er ist menschlich. Er hat Zweifel wie Sie und ich. Ja, wir sollen den großen Patriarchen nacheifern; aber ich muss zugeben, dass das schwer ist. Noach ist dagegen ein gewöhnlicher Bursche. Er kämpft mit seinem Glauben. Genau das macht ihn zum Helden. Denn er tut seine Pflicht trotz aller Zweifel. Er baut die Arche, schleppt alle Tiere hinein, rettet die Menschheit und baut die zerstörte Welt wieder auf. Er tut, was getan werden muss.

Ein altes jiddisches Sprichwort sagt: „Fun a kascha sterbt man nit“ – niemand stirbt an einer Frage. Die Welt geht nicht unter, wenn nicht alle unsere Fragen beantwortet werden. Wir können mit unbeantworteten Fragen leben, wenn wir uns nicht von unseren Zweifeln lähmen lassen. Trotz unserer Zweifel können wir tun, was zu tun ist. Gewiss, es wäre schön, wenn ich alle Fragen meiner Gemeindemitglieder beantworten könnte. Aber ich kann nicht alle Zweifel beseitigen und nicht jedes Problem lösen. Und offen gesagt mache ich mir weniger Gedanken über ihre Zweifel als über ihre Taten. An einer Frage stirbt man nicht. Wichtiger ist, was wir tun.

Noach, der ganz normale Held, könnte durchaus nebenan wohnen. Er ist einer von uns. Seine Größe ist daher erreichbar. Er ist nicht „vom anderen Stern“. Wir können seinem Heldentum nacheifern. Wenn Awraham und Mosche Superhelden sind, in denen wir Normalsterbliche nur schwer ein Vorbild sehen können, dann ist Mosche der Inbegriff der Realität. Auch er hat Zweifel, so wie Sie und ich. Noach, der zögernde Held, erinnert uns daran, dass wir nicht furchtlos sein müssen, um zu handeln. Wir müssen kein Zadik sein, um eine Mizwa zu befolgen. Wir müssen nicht heilig sein, um koscher zu essen, und wir müssen kein Professor sein, um die Torah zu studieren.

Vielleicht war Noachs Glaube schwach. Vielleicht hatte er weiche Knie. Aber entscheidend ist, dass er seine Pflicht tat. Darum ist er mein Held.