Wer sind Sie?

„Ich bin Rechtsanwalt.“

„Ich bin Rabbiner.“

„Ich bin Installateur.“

Haben Sie damit gesagt, wer Sie sind – oder was Sie tun?

In unserer modernen Gesellschaft ist es nicht mehr üblich, einen Menschen nach seinem Beruf zu beurteilen. Gewiss, in manchen Berufen wird mehr verdient, und andere bringen größeres Ansehen mit sich. Dennoch ist es Mode geworden, darauf zu bestehen, dass kein Mensch besser ist als der andere – eine Art umgekehrter Snobismus.

Dem stimme ich teilweise zu. Wer behauptet, eine Rasse sei von Natur aus besser als andere, oder wer Ranglisten von Individuen aufstellt, geht fälschlich davon aus, dass ein Mensch in G-ttes Augen wertvoller sein kann als andere.

Aber diese Gleichmacherei, die wir uns angewöhnt haben, hat auch Nachteile. Wir neigen dazu, jeden „zurechtzustutzen“, der sich zu sehr anstrengt. Wir bezeichnen ihn als Streber oder Angeber und machen uns über seinen Ehrgeiz lustig. Warum sollten wir Zeit vergeuden und uns Mühe geben, um Erfolg zu haben, wenn ohnehin alle Menschen gleich sind?

Ich glaube, dass alle Menschen gleich viel Wert sind, obwohl jeder Mensch und jedes Volk eine bestimmte Aufgabe hat und dabei seinen eigenen Weg geht. Wenn wir das Prinzip „gleich und doch verschieden“ akzeptieren, kann und muss jeder von uns nach besten Kräften die Talente nutzen, die er von G-tt erhalten hat, ohne zu vergessen, dass jeder Mensch die gleiche Würde und Bedeutung hat.

Ein Schulleiter, den ich kenne, sagte einmal: „Wenn meine Schüler Straßenkehrer werden, ist das in Ordnung. Aber diese Straßenkehrer müssen Menschen sein!“

Was also sollen wir tun?

In der Parascha dieser Woche lesen wir, dass eine bestimmte jüdische Familie auserwählt wurde, die Priester zu stellen. Mosche erhielt den Befehl „Aharon und seine Söhne zu dir zu nehmen (von den anderen zu trennen) aus den Kindern Israel, um mir als Priester zu dienen“ (Exodus 28:1).

Bei den Priestern ging es also darum, wer sie waren, nicht darum, was sie taten. Das Priestertum war eine Berufung, kein Beruf. Mosche heiligte jedes Mitglied des Stammes auf G-ttes Befehl. Sie und ihre Nachkommen hatten keine andere Wahl. Es hätte nichts genützt, wenn ein Familienmitglied protestiert hätte, um wie ein normales Mitglied der Gesellschaft behandelt zu werden, ohne beschwerliche Pflichten und hohe Anforderungen. „Du bist ein Kohen“, hätte man ihm gesagt. „Du musst deiner Verantwortung gerecht werden.

Du wurdest aus irgendeinem Grund für eine bestimmte Aufgabe auserwählt. Glaube aber nicht, dass du deshalb etwas Besonderes bist – du hast keinen Grund, eitel zu sein. Wer für etwas Großes bestimmt ist, darf nicht stolz sein, sondern er muss seine größere Last demütig tragen.“

Das Gleiche gilt für uns alle. Auf jeden von uns wartet eine Aufgabe, die niemand sonst auf dieser Welt erfüllen kann. Vielleicht gefällt Ihnen Ihre Aufgabe nicht und Sie lehnen sich dagegen auf. Aber es bleibt Ihre Aufgabe, und Sie allein müssen sie erfüllen.