Heutzutage sind viele Leute der Meinung, ein Kind solle in einem bestimmten Alter seine Religion selbst „wählen“. So denken vor allem Menschen in Mischehen, aber auch Paare, die denselben Glauben haben und ihren Kindern möglichst viel spirituelle Freiheit einräumen wollen. Sie denken, Religion sei etwas, was man studiert wie Mathematik, oder was man wie Eiscreme „schmeckt“ und sich aussucht.
Wenn es nur so einfach wäre! Aber die religiöse Praxis, der Glaube, unser Bild von G-tt und unser Verhalten im Alltag sind sehr komplex und mehr als ein Studienfach. Das alles entsteht nicht plötzlich, wenn wir Jugendliche „wählen lassen“. Es beginnt vielmehr in einer Atmosphäre des Glaubens und der Leidenschaft, die uns zu Hause und in der Synagoge umgibt.
Eines der Wunder der Tora – und des Judentums, das auf ihr beruht – besteht darin, dass wir in jedem Alter einen Teil der Geschichten, Gebote und Segnungen verstehen können. Dieses Wunder macht es möglich, schon sehr kleinen Kindern die Liebe zum Judentum einzuflößen. Ein einfaches Beispiel: Wie viele von uns standen als Kinder vor dem Tora-Schrein, schauten hinauf zum Ner Tamid – dem ewigen Licht – und waren von seinem Zauber gefesselt? Ein großer Teil des Buches Exodus befasst sich mit dem Bau des Heiligtums.
In Tezawe lesen wir diese Woche zum ersten Mal die zehn Gebote, damit „die Lampe ewig brennt“. Die Gebote „sollen für die Kinder Israel ein Gesetz für immer sein, über alle Generationen hinweg“.
Kleine Kinder, die das Licht noch nicht verstehen, sehen es als hübsches Leuchtfeuer, fast wie einen Stern, der unserem Leben nahe ist. Wenn sie größer werden und verstehen, dass dieses Licht immer brennen muss, sind sie fasziniert davon, dass die Flamme sogar um drei Uhr morgens weiter leuchtet und den Raum mit Wärme erfüllt, selbst wenn alle Leute die Synagoge verlassen haben und sämtliche anderen Lichter erloschen sind.
Später sehen junge Menschen den symbolischen Zusammenhang zwischen dem ewigen Licht und dem ewigen G-tt, und ihre Ehrfurcht wird noch größer, wenn sie begreifen, dass G-tt immer bei uns ist. Viele sind der Ansicht, man brauche eine gewisse Reife, um die Tora zu verstehen. Einerseits ist das richtig. Aber um aus der Tora zu lernen, müssen unsere Erfahrungen in der frühen Jugend zuerst die Türen unseres Geistes öffnen. Wie das Ner Tamid müssen wir den Weg unserer Kinder von Anfang an erleuchten und sie an der Wärme und am Wunder der g-ttlichen Gegenwart teilhaben lassen.
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