Der Wochenabschnitt Reeh beginnt mit den Worten „Siehe, ich gebe euch heute Segen und Fluch“.
„Segen“ ist ein sehr wichtiges Wort. Wir müssen wissen, dass es Gutes in der Welt gibt und dass dieses Gute uns gegeben wurde.
Aber auch „Fluch“ ist ein bedeutsames Wort. Wir müssen wissen, dass es negative Dinge gibt, die wir bekämpfen und besiegen müssen. Geschöpfe, die eine Moral haben, wissen, dass es Gutes und Böses gibt; sie können beides voneinander unterscheiden, und sie umarmen das Gute und lehnen das Böse ab.
Auch „euch“ ist wichtig. Wir müssen wissen, dass wir wählen können und dass wir für unsere Entscheidungen verantwortlich sind. Die Welt wurde uns ins Herz und in die Hände gelegt.
„Heute“ ist ebenfalls bedeutsam. Was wir tun, ist kein Funke in der Dunkelheit, der vom Himmel bemerkt und in ferner Zukunft belohnt oder bestraft wird. Nein, unsere Entscheidungen haben hier und jetzt Folgen.
Das wichtigste Wort im obigen Vers ist jedoch das Verb, das den Toraabschnitt Reeh (Deut. 11:26-16:17) eröffnet und ihm seinen Namen gegeben hat: „Seht“.
Das Sehvermögen ist unser schärfster Sinn, und er bildet die Wirklichkeit am genausten ab. Wenn wir etwas hören, riechen, spüren oder logisch schlussfolgern, wissen wir, dass es wahr ist. Doch unser Wissen ist nie absolut – es bleibt immer ein Vorbehalt, ein gewisser Zweifel, eine Spur von „Ja, aber ...“. Anders ist es, wenn wir etwas sehen. Das Sehen ist die „vollkommene Erfahrung“.
Darum beschreiben die Propheten die Ära des Moschiach so: „Eure Augen werden euren Herrn sehen“ und: „Alles Fleisch wird sehen, dass der Mund G-ttes gesprochen hat“. „Sehen“ heißt, die Welt in ihrer Perfektion erfahren, eine Welt, die ihr g-ttliches Ziel erreicht und absolutes Wissen über ihren Schöpfer erlangt hat.
Darum erklärt die Tora: „Siehe, ich gebe euch heute Segen und Fluch.“
Sehen Sie den Segen. Erwerben Sie absolutes Wissen über die wesenhafte Güte Ihres Schöpfers, Ihrer Welt, Ihrer Seele. Alles ist da – sehen Sie es!
Sehen Sie den Fluch. Erkennen Sie, dass das Böse nicht wirklich existiert, so wie die Dunkelheit nur das Fehlen des Lichtes ist. Das Böse ist nur eine Herausforderung an uns – wir müssen es überwinden; es soll unsere Leidenschaft für das Gute, unsere Treue, unsere tiefsten Überzeugungen und unsere Kraft wecken. Sobald Sie sehen, was das Böse nicht ist, haben Sie es besiegt, und sobald Sie sehen, was das Gute ist, haben Sie es in einen noch größeren Segen transformiert.
Sehen Sie sich selbst. Wer und was sind Sie? Seien Sie gewiss, dass Sie ein Kind G-ttes sind, sein Partner in der Schöpfung, der diese Welt vervollkommnen darf. Alle Hindernisse, Grenzen und Niederlagen sind nur die Folge der Unwissenheit über Ihr wahres Potenzial. Sehen Sie sich selbst, und Sie können alles erreichen.
Sehen Sie heute. Sie dürfen das Gute und G-ttliche nicht als abstrakte Idee „hören“; Sie müssen es hier und jetzt sehen, seine Unmittelbarkeit und Erkennbarkeit begreifen.
Der Rebbe hat immer wieder gefragt: „Was bleibt noch zu tun?“
Awraham war hier, ebenso Jizchak, Jaakow, Mosche, Aaron, David, Solomon, Elija, Esra, Maimonides und der Baal Schem Tow. Alle trugen dazu bei, unsere Welt zu einer Wohnung für G-tt zu machen. Wir hatten unseren Exodus und unsere Offenbarung am Sinai. Wir haben das Gelobte Land besiedelt, den Heiligen Tempel gebaut, den Talmud geschrieben. Wir wurden in die vier Winkel der Erde zerstreut, haben jede denkbare Prüfung bestanden, den Holocaust überlebt. Was also bleibt noch zu tun?
Der Rebbe sagte: Es ist alles getan. Wir müssen nur die Augen öffnen und sehen.
Diskutieren Sie mit