Vor ungefähr 200 Jahren, als der Alter Rebbe (Rabbi Schneor Salman von Ljadi, Gründer der Chabad-Bewegung) damit begann, die Lehren des Chassidismus in Russland zu verbreiten, verstand die russische Obrigkeit diese neue Bewegung im Judentum nicht. Man dachte der Rebbe wollte eine Revolution gegen ihren Regenten, den Zar, anführen und so wurde der Alter Rebbe schließlich verhaftet.

Fast acht Wochen lang wurde der Alter Rebbe im Gefängnis zu seinen Aktivitäten befragt und verhört. Viele der russischen Beamte waren von der Weisheit des Rebben beeindruckt und ersuchten ihn häufig um Rat zu verschiedensten Fragen. Einer jener Beamte war der Minister für Kulturangelegenheiten. Er war ein gebildeter Mann, der sogar Tora studiert hat. Dieser Minister hatte eine Frage, die ihn nicht losließ.

Er fragte den Alter Rebbe, "als G-tt Adam wegen der Sünde des Baums der Erkenntnis bestrafen wollte, fragte Er Adam 'wo bist du?' Warum stellte G-tt Adam diese Frage? Weiß G-tt schließlich nicht alles?"

Zunächst gab der Alter Rebbe dem Minister die Erklärung Raschi's zur Antwort, wonach G-tt Adam nicht verängstigen wollte und aus dem Grund anstatt zunächst zu fragen 'warum hast du gesündigt?', Adam eine Frage stellte, die ihn nicht bedrohen würde.

"Diese Erklärung habe ich bereits gehört", sagte der Minister. "Ich möchte gerne Ihre eigene Interpretation hören."

Der Alter Rebbe schaute dem Minister in die Augen und sagte ihm, "die Tora ist ewig gültig. Die gleiche Frage, die G-tt Adam stellte, stellt G-tt jedem Menschen, in jedem Moment seines Lebens. G-tt fragt uns zu jeder Zeit - wo bist du? Was hast du bisher zu Wege gebracht um deiner Aufgabe in diesem Leben gerecht zu werden?"

"Sie zum Beispiel sind so und soviel Jahre alt (der Alter Rebbe nannte dem Minister sein genaues Alter, obwohl er keine natürliche Möglichkeit hatte dies zu kennen). G-tt fragt auch sie - wo bist du in Bezug auf deine Mission im Leben? Erfüllst du das, was G-tt von Dir im Leben erwartet zu erfüllen?"

Der Minister war von dieser Antwort tief beeindruckt. Er klopfte dem Alter Rebbe auf die Schulter und rief "Bravo!" Später war jener Minister sehr hilfreich bei der Freilassung des Alter Rebbe aus der Haft.

Wenn wir von der Frage G-ttes an Adam in dieser Parascha lesen, sollten wir uns dessen bewusst werden, dass auch wir dieselbe Frage gestellt bekommen. Und dies trifft nicht nur zu, wenn wir diesen Vers während der öffentlichen Tora-Lesung in der Synagoge hören, sondern auch noch danach. Selbst wenn wir nach Hause gehen und essen, schlafen oder Zeit mit Freunden verbringen fragt G-tt uns, "Wo bist du? Erfüllst du auch das, was Ich von dir erwarte?"

Doch gibt dies einem nicht ein besonderes Gefühl, dass G-tt uns ständig jene Frage stellt? Wir sollten glücklich darüber sein, dass alles was wir tun in G-ttes Augen wichtig ist und er sich um uns zu jeder Zeit sorgt!

G-tt wünscht sich von jedem Menschen, dass dieser alles in seinen Möglichkeiten stehende unternimmt, um diese Welt in eine Heimstätte für die G-ttliche Gegenwart zu gestalten. Wenn wir uns die Frage "Wo bist du?" selber öfters stellen, wird uns es dabei helfen, dieses Ziel schneller zu erreichen. Dies wird uns letztlich in das Messianische Zeitalter führen, wenn jeder Mensch sehen wird, dass diese Welt tatsächlich G-ttes Heimstätte ist.

(Übersetzt aus "Please Tell Me What the Rebbe Said, Vol. I", basierend auf Likutei Sichot, Band I, Jud-Tet Kislew)