Der Talmud sagt, dass Jaakov noch vor seinem Einverständnis zur Ägyptenreise seinen Sohn Jehuda vorschickte, um in Goschen - Jaakovs zukünftigen Niederlassungsgebiet - eine Jeschiwa (Akademie fürs Tora-Lernen) zu errichten. Jaakov ahnte bereits, dass seine Nachkommen in Ägypten auf Schwierigkeiten stoßen würden, und schlussfolgerte richtig, dass nur durch eine angemessene jüdische Erziehung eine standfeste jüdische Identität vermittelbar ist. Diese würde es seinen Nachkommen ermöglichen, die auf sie zukommenden Schwierigkeiten und Verfolgungen zu überstehen und sie vor Assimilation zu bewahren.
Im Judentum bedeutet Erziehung keine bloße "Informationsweitergabe", sondern vielmehr die Inspiration unserer Jugend zu Güte, Unbescholtenheit und jüdischen Wertvorstellungen. Informationen allein – selbst wenn es sich dabei um die Heiligen Lehren der Tora handelt – hätten das Judentum nicht während der Jahrhunderte lange Sklaverei aufrecht erhalten. Nur die strengen Verhaltensregeln und ethischen Werte, die in der Jeschiwa sich die Juden zu eigen gemacht hatten, unterschied sie von ihren unmoralischen und grausamen Unterdrückern.
Leider sind inzwischen viele Erziehungseinrichtungen eher anti-erzieherisch: Zwar vermittelt das Studium ausreichend wissenschaftliche Erkenntnisse, aber das ihnen zugrundeliegende Prinzip des moralischen Relativismus’ ethischer Werte, die wir unseren Kindern mitzugeben mühevoll versuchten, zieht diese Werte in Zweifel. Nichts ist zerstörerischer, als die moderne Vorstellung, dass die Definition von Gut und Böse nichts als eine persönliche Ansichtssache sein soll! Es ist deshalb alles Erdenkliche daran zu setzen, dass unsere Kinder auch unsere jüdischen Wertvorstellungen verinnerlichen.
Ein Süßwarenfabrikant erzählte, er habe in einem Flugzeug ein jüdisches Kind getroffen, dem er ein Bonbon anbot. Das Kind bedankte sich, nahm das Bonbon und rannte zu seinen Eltern. Doch nach ein paar Sekunden gab das Kind das Bonbon mit den Worten zurück: "Meine Eltern haben gesagt, dass diese Süßigkeit nicht koscher ist." Der Geschäftsmann war sehr beeindruckt, denn er hatte noch nie zuvor erlebt, dass ein Kind eine Süßigkeit ablehnte. Für dieses Kind hing die Frage des Verzehrs nicht vom Geschmack ab, sondern zuallererst davon, ob es Koscher ist. Der abstrakte Begriff "Koscher" war für dieses Kind mindestens ebenso wichtig, wie Farbe und Geschmack dieser Süßigkeit.
Die Erziehung fängt zu Hause an, doch muss die passende jüdische Schule diese verstärken, indem das Kind dort mit denselben Wertvorstellungen aufwächst. Der erste unseren Kindern mitzugebende Wert besteht im Stolz auf ihr einzigartiges jüdisches Erbe: Wir sind anders und haben eine besondere Aufgabe. G-tt hat uns dazu bestimmt, in dieser dunkeln Welt als Seine Botschafter des Lichts zu fungieren, - ein Privileg, wofür viele unserer Vorfahren ihr Leben gaben. Trotz aller Pogrome und Verfolgungen, die unsere jüdische Geschichte überreichlich kennt, sind wir G-tt dankbar, Sein ausgewähltes Volk zu sein.
Diese Idee kommt beim Abscheren - der traditionellen Zeremonie des ersten Haarschnittes - zum Ausdruck, die am dritten Geburtstag des Jungen abgehalten wird. Diese Zeremonie bezeichnet den formalen Beginn der Erziehung und ist gekrönt durch das Auslassen der Pejot (den charakteristisch jüdischen Seitenlocken), dem Anziehen der Kippa (Kopfbedeckung) und der Zizit (Kleidungsstück mit vier Ecken, an die jeweils vier Wollfäden geknüpft werden). Damit geben wir dem Kind zu verstehen: "Du bist zwar noch jung und hast noch viel zu lernen. Doch als Erstes sollst du wissen: Du bist ein Jude und sollst dich niemals schämen, dich als solcher zu kleiden und zu verhalten. Unser Volk hat die ruhmvollste aller Geschichten, die darin besteht, der Welt Ethik und Moral zu lehren. Uns erwartet eine noch viel prachtvollere Zukunft. Was auch kommen mag, - sei immer stolz darauf, ein Jude zu sein."
Diskutieren Sie mit