Als der große Rabbi und bedeutende Lehrer Menachem Mendel von Lubawitsch (der "Zemach Zedek") noch ein kleiner Junge war, lernte er einmal im Cheder (das ist die Kinder-Jeschiwa), dass die 17 Jahre, die unser Stammvater Jakob in Ägypten verbrachte, die besten seines Lebens waren. Diese Erläuterung basierte auf einer rabbinischen Auslegung (Baal Haturim zu Genesis 47, 28) der Anfangsworte der dieswöchentlichen Sidra: "Und Jakob lebte im Lande Ägypten 17 Jahre" (Genesis ibid.).
Vom Cheder nach Hause zurückgekehrt, fragte er seinen Großvater, Rabbi Schneur Salman von Liadi (den Begründer des Chabad-Lubawitsch-Chassidismus): "Kann es denn möglich sein, dass Jakob, der doch der auserwählte der Patriarchen – (s. Bereschit Rabba 76, 1) – genannt wurde, seine 17 besten Jahre in dem degenerierten Lande Ägypten verlebte – dem Abschaum der Erde?" Sein Großvater erwiderte: "Bevor Jakob seine Reise nach Ägypten antrat, sandte er seinen Sohn Jehuda voraus, um eine Jeschiwa (Tora-Akademie) zu gründen, damit seine Söhne in die Lage versetzt wurden, dort die Tora zu lernen. Wenn immer man die Tora studiert, nähert man sich G-tt, und somit war Jakobs Leben auch in Ägypten inhaltsvoll, 'lebendig' und lohnenswert." (Dies ist eine Auslegung des Wortes "Goschen" im hebräischen Text.)
Die Tora-Akademien, die Jakob einrichtete, blühten und gediehen während all der Jahre, die die Juden in Ägypten verbrachten (Talmud, Joma 28b, aufgrund von Exodus 3, 16). Diese Tatsache ist umso bemerkenswerter, wenn wir im Auge behalten, dass das Exil in Ägypten viel härter war als irgendeine der anderen Verbannungen, die die Juden später zu erdulden hatten. Erstens hatte die Gesetzgebung am Sinai, durch die G-tt den Juden größere Kräfte für die Einhaltung Seiner Gebote verlieh, noch nicht stattgefunden. Zweitens war das ägyptische Exil das erste, das das jüdische Volk zu erleiden hatte. Folglich war es das schwerste, denn – wie wir es bei jedem Einzelmenschen feststellen können, wenn ihn, G-tt behüte, ein hartes Los befällt – das erste Mal ist es am schwersten; wenn ihm Ähnliches aber ein zweites Mal zustößt, leidet er nicht ganz so sehr darunter – in gewisser Beziehung ist er schon "daran gewöhnt". Drittens war das ganze jüdische Volk zusammen in Ägypten. Während der späteren Verbannungen waren die Juden in vielen Ländern verstreut (Talmud, Pessachim 87b); daher war es immerhin möglich, dass sie, wiewohl sie in dem einen Land unterdrückt wurden, anderswo eine (vorübergehende) "Atempause" finden konnten und auch ihren im härteren Exil verfolgten Brüdern Hilfe zu leisten vermochten.
Letztlich war Ägypten so mächtig, dass normalerweise auch nicht ein einziger Sklave entkommen konnte (Mechilta, Raschi zu Exodus 18, 9). Wie durften somit die Juden überhaupt eine Hoffnung auf Befreiung hegen – wo sie doch 600.000 zählten, ausschließlich von Frauen und Kindern! Trotz alledem blühten in all den Jahren des ägyptischen Exils die Jeschiwot weiter.
In unserem eigenen Zeitalter sind viele der Meinung, es sei zu schwierig, ihre Kinder auf Jeschiwot oder in jüdische Tagesschulen zu schicken. Stattdessen reicht es ihnen schon aus, wenn ihre Kinder am Sonntag ihre jüdische Ausbildung genießen. Am Sonntag schlafen die Eltern gern bis zwölf Uhr; daher haben sie nichts dagegen, wenn das Kind die "Sonntagsschule" besucht, während sie selbst ruhig weiter schlafen ... Und dann, gegen ein Uhr, wendet sich das Kind wieder seiner gewohnten "Erziehung" zu, durch Fernsehen, Kino und Fußballspiel.
Die Lehre der dieswöchentlichen Sidra ist eine eindeutige: Selbst unter den furchtbaren Zuständen der ägyptischen Unterdrückung waren sich die Führer unseres Volkes bewusst, dass eine hundertprozentig jüdische Erziehung Grundlage und Grundstein unserer Existenz, unseres absoluten Fortlebens, ist und allen Hindernissen zum Trotz beibehalten werden muss.
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