Als Josef seine Brüder beauftragte, nach Kanaan zurückzureisen um ihren Vater zu holen und ihn mit nach Ägypten zu bringen, wies er sie an: Al tirgesu baderech, macht kein 'tirgesu', wenn ihr reist."1

Die Kommentatoren variieren bezüglich der Übersetzung des Wortes tirgesu, die sich auf die Bedeutung von Josefs Anweisungen stützt.

  1. Die wörtliche Bedeutung dieses Begriffes, wie uns Raschi erklärt, ist Zorn.2 Josef belehrte seine Brüder, sich nicht darüber zu streiten, wer jetzt wohl die Verantwortung dafür trägt, dass er als Sklave verkauft wurde, - was dazu führen könnte, dass sie aufeinander zornig würden.
  2. Der Talmud3 sagt, dass Josefs Anweisung darin bestand, sich während der Reise nicht in Halacha-Themen (jüdisches Gesetz) zu vertiefen und dadurch wackelig zu werden, denn intensives Studium kann ablenkend wirken und dazu führen, sich zu verlaufen.
  3. Dem Midrasch4 zufolge bedeutet dieser Ausdruck: Lasst euch nicht vom Tora-Lernen abhalten, damit ihr auf dem Weg vom besonderen Schutz der Tora profitieren könnt.
    Laut diesen Interpretationen, bedeutet tirgesu "zittern"5 und bezieht sich auf das Reisen: Der Weg riskiert, durch das Tora-Lernen oder das Enthalten vom Tora-Lernen gefährlich ("wackelig") zu werden.
  4. Der Talmud6 besagt, dass Josef seine Brüder lehrte, sie möchten in der Eile ihrer Heimreise keine allzu große Schritte machen, da das ihre Gesundheit gefährden könnte.7
  5. Eine zusätzliche Auslegung im Talmud8 sagt, dass Josef seinen Brüdern Anweisungen gab, nur während der Tageszeit zu reisen, um Banditen und Schlaglöcher meiden, sowie den Verdacht, dass sie sich nachts mit unziemlichen Tätigkeiten befassen.
    Laut diesen beiden letzten Erklärungen, wird tirgesu als aufgeregt (verärgert) übersetzt: "Vermeidet es, euch auf dem Weg zu beunruhigen, wie z.B. indem ihr große Schritte nehmt oder in der Nacht reist.".9

All diese Erklärungen sind korrekt, nachdem bekannt ist, dass jedes Wort in der Tora viele Bedeutungen hat.

Reisende sollten sich daher nicht allzu sehr in ihr Studium vertiefen, da die Betreffenden dadurch riskieren, sich zu verlaufen, doch sollten sie sich mit Teilen der Tora befassen, die nicht allzu hohe Konzentration erfordern, denn die Mizwa, Tora zu studieren, besteht jederzeit. Der Vers sagt10 "Du sollst in ihnen reden ... wenn du unterwegs bist."11 Dazu kommt, dass Reisende wegen der das Reisen mit sich bringenden Gefahren, einen besonderen Schutz brauchen, – und das Tora-Lernen bietet ihnen diesen Schutz.12

Auto-, Bus-, Zug- oder Flugzeugpassagiere können und sollten die Reisezeit für tiefgründiges Tora-Studium nutzen, da keine Gefahr, sich zu verlaufen, besteht.13 Tatsächlich ist das tiefgründige Tora-Studium die erhabenste Form des Lernens und liefert daher den besten Schutz für den Reisenden.14

Vorbehalte gegen Reisen bei Nacht scheinen heute aufgrund sicherer ebener Straßen keine Gültigkeit mehr zu haben.15

Der Erhalt von "Schaliach Mizwa"-Geld

Der Rebbe gab Leuten, die sich auf eine Reise begaben, oft Geld mit der Anweisung, dieses Geld, wenn sie ihr Reiseziel erreicht haben, für wohltätige Zwecke zu spenden. Dadurch wurde der Reisende zum Schaliach Mizwa (Boten einer Mizwa). Der Talmud16 sagt, dass "der Abgesandte, um eine Mizwa auszuführen, keinen Schaden erleidet".17

Der Erhalt eines Segens

Bevor eine Stadt verlassen wird, wollen wir uns bemühen, von den frommen Menschen in der Stadt einen Segen zu erhalten. Sie sollen sagen: "lech leschalom" (geh in Frieden").18

Kein Schuhputzen

Es gibt eine Tradition von Rabbi Yehudah Hachasid,19 am Tag der Abreise nicht die Schuhe zu putzen. Es scheint eine symbolische Mahnung zu sein, uns gut auf unsere ultimative Reise vorzubereiten, bevor wir sie ungeplant und ungewollt antreten, - und mit dem Bereuen und Buße-Tun nicht bis zu unserem Tod warten.20

Ich habe meine Tasche vergessen

Eine weitere Tradition von Rabbi Jehuda Hachasid besteht darin, nach dem Verlassen des Hauses nicht wieder umzukehren, nur weil etwas vergessen wurde. Vielmehr soll ein noch im Haus Befindlicher gebeten werden, den betreffenden Gegenstand nachzusenden.21

Das Reisegebet

Wer sich auf seiner Reise mehr als eine Parsa (etwa 4 Kilometer) aus der Stadt entfernt, soll Tefilat Haderech (Reisegebet) sagen.22 Das ist vor allem dann angebracht, wenn sich in jenem Bereich keine Häuser mehr befinden. Falls es in diesem Bereich andere Ortschaften gibt, sagen einige, sei kein Reisegebet erforderlich, während andere an mögliche Straßenunfälle als größte Gefahr erinnern und deshalb das Reisegebet für erforderlich halten. Doch sollte im Zweifelsfall das Reisegebet gesagt werden, ohne beim Segensspruch am Schluss des Gebetes den Namen G-ttes auszusprechen. Schließen Sie das Reisegebet lediglich mit den Worten: "Baruch schomea Tefila".

Am besten wird dieses Gebet im Stehen gesagt, - doch bereits im Fahrzeug sitzend, ist es nicht notwendig, das Fahrzeug anzuhalten, um dieses Gebet zu sagen. Spricht jedoch der Fahrer selbst dieses Gebet, muss er sein Fahrzeug anhalten, damit auch er den Worten des Gebetes die angemessene Aufmerksamkeit widmen kann.23

Dieses Gebet soll unmittelbar nach einem anderen "längeren" Segensspruch erfolgen.24 Zu diesem Zweck wäre es wünschenswert, davor etwas zu essen, zu trinken, die Toilette zu benutzen, um erst dann den entsprechenden Schluss-Segen zu sagen und das Reisegebet dann diesem Segensspruch anzuhängen.25

Das Einplanen der Gebete auf der Reise

Falls wir uns am Morgen auf die Reise begeben, sollten wir die Morgengebete vor der Reise zu sagen,26 es sei denn, es handle sich um eine Ausnahme, wie z.B. Flug, spezielle Gruppenreise, oder die Reise beginnt noch bevor es überhaupt möglich ist, zu beten und die Abfahrt zu verzögern. Obwohl wir das Amida-Gebet normalerweise nicht vor Sonnenaufgang sagen, ist es erlaubt, wenn jemand sich auf einer Reise befindet und kein Gelegenheit dazu haben wird, das Gebet zu einem späteren Zeitpunkt angemessen zu sagen, die Amida bereits nach Morgendämmerung zu sagen.27 Wer jedoch selbst einen Ausflug plant, sollte dies so tun, dass ihm davor genügend Zeit zum Beten bleibt.28

Falls wir uns gerade auf einer Reise befinden, die Gebetszeit naht und es gibt keine Gelegenheit, die Amida an einem geeigneteren Ort zu beten, ist es erlaubt, während der Reise zu beten. Es ist wünschenswert, sie stehend zu sagen, falls das nicht geht, beten wir im Sitzen. Wenigstens sollten wir an jenen Stellen stehen, an denen wir uns verbeugen,29 und wenn wir drei Schritte vorwärts oder rückwärts gehen.30 Wenn beim Stehen dies zu Unkonzentriertheit auf den Gebetstext führt, ist es besser, zu sitzen.31 Falls das Reiseziel erreicht werden soll, noch bevor der letzte Moment, zu dem ein bestimmtes Gebet gesagt werden darf, abläuft, ist es besser, die Gebete zu verschieben und diese dann zu sagen, wenn wir ruhig an einem Ort stehen können.32 Auf keinen Fall ist es erlaubt, die Amida im fahrenden Fahrzeug zu beten, während man dieses steuert.33

Der Hagomel-Segensspruch

Nach einer Schiffsreise oder einer Wüstendurchquerung soll den Hagomel-Segensspruch sagen, sobald er sein Reiseziel erreicht hat.34 Der Segen ist ein Ausdruck des Dankes an G-tt, dafür, dass Er den Reisenden beschützt hat als er gefährliche Gegenden durchqueren musste. Hier sind ein paar Regeln für diesen Segensspruch aufgeführt:

  • Chabad lehrt, dass dieser Segen selbst dann gesagt wird, wenn wir das Meer mit dem Flugzeug überflogen haben.35
  • Dieser Segensspruch kann nach jeder Flugreise gesagt werden, selbst wenn dabei kein Meer und keine Wüste überflogen wurden.36 Der vorherrschende Brauch ist jedoch, das zu unterlassen.37
  • Der Segen soll in der Gegenwart eines Minjans (Versammlung von 10 jüdischen Männern von mindestens 13 Jahren) gesagt werden. Es ist besser, den Segen nach einer Tora-Lesung zu sagen.38 Wir sollten möglichst eine Alija erhalten, bevor wir diesen Segen sagen.39
  • Reisten wir auf einer gefährlichen Straße ohne die Wüste zu durchqueren, wird nach aschkenasischem Brauch kein Hagomel-Segensspruch, hingegen nach sefardischem Brauch doch der Hagomel-Segensspruch gesagt.40 Falls die Reise sehr gefährlich war, sollen wir den Hagomel-Segensspruch auf jeden Fall sagen.41
  • Im Idealfall sollen wir diesen Segensspruch innerhalb von drei Tagen nach Ankunft sagen. Diese Regel verdrängt den Brauch, ihn nach der Tora-Lesung zu sagen. Das bedeutet, wenn wir z.B. am Montagnachmittag von einer Reise kommen, sollen wir nicht bis zur Tora-Lesung vom Donnerstag warten, sondern den Segensspruch möglichst bald in Gegenwart eines Minjans und vor allem noch vor Sonnenuntergang am Mittwochabend sagen.42

Der Hagomel-Segensspruch für Frauen

Gemäß dem Kodex des jüdischen Gesetzes, werden Frauen ebenfalls gebeten, den Hagomel-Segensspruch zu sagen.43 In sefardischen Gemeinden sagen Frauen den Hagomel-Segensspruch in der Gegenwart von zehn Männern.44 Sie können diesen Spruch sagen, während sie in der Frauenabteilung der Synagoge sitzen und ein Minjan sie hört, oder in einer Wohnung, wenn 10 jüdische Männer dort anwesend sind. In vielen Gemeinden ist das jedoch nicht der überwiegende Brauch45 – vielleicht aus Bescheidenheit, in Anbetracht der Tatsache, dass der Segen in der Anwesenheit von 10 Männern gesagt werden soll.46