Die folgende Geschichte ereignete sich in einem Spital in Boston. Es war Nacht und der diensthabende Arzt hörte Geräusche aus einem der Zimmer. Er fand eine Frau vor, die um ihr Krankenbett ein „mobiles Büro“ aufgestellt hatte. Der Arzt entschuldigte sich für die Störung und fragte die Patientin nach dem Grund ihrer Beschäftigung. Sie erklärte ihm, dass sie für die Lubawitscher Jeschiwa in Boston arbeitete. In wenigen Tagen würde ein Spendenabend für die Jeschiwa veranstaltet werden. Sie wurde im Höhepunkt ihrer Vorbereitungen an dem Event eingeliefert. „Daher musste ich mein ganzes ,Büro‘ mitbringen, um weiter arbeiten zu können“, antwortete sie. Als der Arzt das Wort „Lubawitsch“ hörte, traf es ihn wie einen Blitz. „Wenn Sie mit Chabad zu tun haben, möchte ich Ihnen eine außergewöhnliche Geschichte über den Lubawitscher Rebben erzählen“, sagte er.

„Ich bin Jude, bekam jedoch keinerlei Erziehung zum jüdischen Glauben. Jahrelang fungierte ich als Offiziersarzt an der amerikanischen Marine. Eines Tages erhielt ich einen Anruf von der Zentrale der Marine auf Guam. Man berichtete mir über wiederkehrende Magenvergiftungen und Darmkrankheiten bei den dort stationierten Soldaten, und bisher konnte man der Ursache für die Krankheiten nicht auf den Grund gehen. „Entweder finden wir schnell den Grund für dieses Mysterium heraus, oder wir werden gezwungen sein, alle Soldaten nach Hause zu schicken. Sind Sie bereit, diese Aufgabe zu übernehmen“, fragte mich der Offizier in der Zentrale. Ich sagte zu. Ich sah darin eine große Herausforderung.

Vor meiner Abreise besuchte ich meine Mutter. Sie führte einen Antiquitätenhandel und pflegte nette Summen von ihrem Gewinn als ,Maaser‘ für wohltätige Zwecke zu spenden. Das Geld schickte sie dem Lubawitscher Rebben. Als ich ihr erzählte, dass ich bei meiner Reise einen Stopp in New York haben würde, bat sie mich, dem Rebben das Geld zu übergeben. Bis heute bin ich mir sicher, dass sie damit beabsichtigt hatte, ein Treffen zwischen dem Rebben und mir zu arrangieren...

Meine Mutter selbst rief beim Sekretariat des Rebben an, um den frühesten Gesprächstermin zu vereinbaren. Das Treffen wurde für den nächsten Tag festgelegt.

Ich betrat das bescheidene Zimmer des Rebben. Er drückte mir die Hand, und ich legte den Geldumschlag auf den Tisch. Er interessierte sich für den Zweck meiner Reise. Daraufhin erzählte ich ihm über die seltsamen Krankheitsausbrüche, und über die in mir gelegte Hoffnung, der Sache auf den Grund zu gehen. Der Gesichtsausdruck des Rebben wurde ernst. Er drückte auf seine elektrische Türklingel unter dem Tisch, und der Sekretär trat ein. Der Rebbe bat ihn um ein Lineal, sowie ein kariertes Papier und eine Landkarte über Mikronesien, zu der auch die Insel Guam gehörte. Sogleich lag alles auf seinem Tisch. Der Rebbe holte aus seiner Schublade ein akademisches Sachbuch der amerikanischen Marine; ein Lehrbuch, welches jedem Arzt an der Flotte wohl bekannt war. Der Rebbe fand dort eine Tabelle, welche die Zeiten des Sonnenaufgangs und Sonnenuntergangs in jenem Gebiet anzeigte, sowie die Zeiten der Ebbe und Flut. Da sagte der Rebbe: „Ich werde Ihnen sagen, was Sie bezüglich der Krankheiten tun können, und es ist nicht notwendig, die Quelle Ihrer Information zu verraten.“ Der Rebbe schrieb sich Daten aus dem Buch heraus, zog mehrere Linien auf dem Papier und skizzierte eine Art Landkarte, umkreiste einen bestimmten Punkt und sagte: „Sobald Sie in Guam ankommen, suchen Sie diesen Platz. Er befindet sich an der Meeresküste, und um an diese Stelle zu gelangen, muss man sie sehr früh am Morgen aufsuchen, wenn der Wasserspiegel am Niedrigsten ist. Nehmen Sie Proben aus dem Meeressand und untersuchen Sie sie im Labor. Womöglich werden Sie dadurch das Rätsel lösen können.“ Der Rat des Rebben schien mir ein wenig seltsam. Ich nahm den Zettel und steckte ihn in meine Tasche. Der Rebbe drückte mir die Hand und segnete mich mit guter Reise und Erfolg bei meiner Mission.

Sobald ich in Guam angekommen war, gliederte ich mich in das Forschungsteam ein. Wir führten umfangreiche Tests durch, versuchten Diagnosen aufzustellen, aber keine Lösung war in Sicht. Es blieb uns keine Wahl, als die Soldaten heimzuschicken. Plötzlich erinnerte ich mich an das Gespräch mit dem Rebben. G-tt sei Dank hatte ich den Zettel aufbewahrt, und in derselben Nacht begab ich mich an den genauen Punkt am Meeresstrand und wartete auf die Ebbe. Tatsächlich sank der Meeresspiegel dramatisch, genau wie der Rebbe angezeigt hatte. Ich nahm schnell Proben aus dem Sand. Der Sand wurde im Labor geprüft, und plötzlich war eine Art mikroskopisch kleiner Faden in ihm erkennbar. Nach weiteren Untersuchungen stellten wir schließlich fest: Der Grund für die Krankheitsausbrüche war ein Stoff, welche eine Muschelart zur Ebbe ausschied, wenn das Wasser sie nicht bedeckt. Es bestand eindeutiger Zusammenhang zwischen jenem Stoff und den Magenvergiftungen der Soldaten. Im Laufe der Forschungsarbeit fanden wir auch heraus, wie der Stoff in die Nahrung der Soldaten gelangte.“ Der Arzt beendete seine Erzählung: „Für diese Entdeckung bekam ich einen Orden von der amerikanischen Marine, aber für mich hatte dieses Erlebnis eine weitaus tiefere Bedeutung: Ich wurde zu einem gläubigen Juden...“